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Sport: Die Angst vor dem Störfall

China kämpft vor Olympia gegen Doping und muss Kontrolldefizite einräumen

Ihre Verdienste im Anti-Doping-Kampf halten die Chinesen schon jetzt für historisch. „40 Jahre Kampf gegen Doping“ ist der Titel einer Ausstellung in der Pekinger Innenstadt gut eineinhalb Jahre vor Eröffnung der Olympischen Spiele. „Jeder im Land soll das Problem verstehen“, sagt Lin Wenji, Direktor des Nationalen Olympischen Komitees für den Bereich Wissenschaft. Die offizielle Sprachregelung des Komitees ist eindeutig: „Doping ist die größte Sünde im Sport!“

Die Spiele 2008 in Peking sollen schließlich nicht als die verseuchtesten in die olympische Geschichte eingehen. Derzeit entstehen mit Milliardenaufwand die vielleicht beeindruckendsten Sportstätten der Welt. China will sich mit den Spielen als leistungsfähige und weltoffene Nation präsentieren. Ein Dopingskandal um das eigene Team wäre das Letzte, was sich die Staatsführung wünscht. Immerhin hat das Internationale Olympische Komitee 4600 Dopingtests angekündigt. Bei Olympia 2004 in Athen waren es noch 3500.

Wohl um die eigene Glaubwürdigkeit zu erhöhen, berichten die staatlich gelenkten Medien mit erstaunlicher Offenheit über den Betrug. Erst im September wurden vier chinesische Gewichtheber und Ringer bei regionalen Ausscheidungskämpfen ertappt, nachdem sie verbotene Mittel genommen hatten. Unmittelbar zuvor – auf den Tag genau zwei Jahre vor Start der Spiele 2008 – hatte die Kontrollkommission des Pekinger Sportamtes die Anshan-Sportschule im Nordosten des Landes gestürmt. Mehrere Trainer wurden auf frischer Tat ertappt, als sie jungen Athleten Infusionen verabreichten. Die in Hongkong ansässige unabhängige „South China Morning Post“ will von Epo und Testosteron erfahren haben.

Der Skandal wurde just an der Schule aufgedeckt, an der einst auch der berüchtigte Leichtathletiktrainer Ma Junren wundersam wirkte. Im September 1993 hatten seine Läuferinnen Qu Yunxia und Wang Junxia die noch heute gültigen Fabelweltrekorde über 1500, 3000 und 10 000 Meter aufgestellt. Unmittelbar zuvor bei der Weltmeisterschaft in Stuttgart hatten Chinas Mittel- und Langstreckenläuferinnen die Konkurrenz in Grund und Boden gelaufen. Ein Trank aus Schildkrötenblut sei das Geheimnis des Erfolges, erklärte Ma damals. Sieben Jahre später – kurz vor den Spielen in Sydney – wurden Ma und gleich neun seiner Athletinnen aus dem chinesischen Kader geworfen. Die Kontrolleure hatten Epo gefunden.

Die Welt-Anti-Doping-Agentur glaubt nun an die Fortschritte des chinesischen Kontrollsystems. Ihr Vorsitzender Richard Pound sagt: „Die Chinesen leisten gute Arbeit. Wenn sie erst einmal ihre Nationalmannschaften für 2008 zusammengestellt und zentralisiert haben, wird es noch leichter sein, sie zu kontrollieren.“

Das Problem ist nämlich die Unübersichtlichkeit. Die Zentralregierung kann kaum kontrollieren, was in den Provinzen vor sich geht. Das betrifft auch das Doping. Selbst der Direktor der Antidopingkommission Zhao Jian räumte unlängst ein, dass er vor einer nur schwer lösbaren Aufgabe stehe.

Inzwischen greifen auch nicht nur Spitzensportler zu verbotenen Substanzen. „Die Gewichtung verlagert sich von Profis zu Amateuren, von offiziellen Wettbewerben zum Gesellschaftssport und zu Aufnahmeprüfungen an Schulen“, räumt Yang Shuan ein, Vizepräsident des Organisationskomitees der Pekinger Spiele. Der Skandal von Anshang belege dies. Die dort gedopten Jugendlichen hätten nicht zur Elite gehört, sondern sich auf ein allerdings prestigeträchtiges Leichtathletikmeeting auf Provinzebene vorbereitet.

Ein anderes Problem ist, dass in China Dopingmittel weiter im großen Stil produziert werden. Hans Geyer vom Kölner Zentrum für präventive Dopingforschung fiel auf, dass der Weltmarkt von billigen Mitteln aus China überschwemmt ist. Allein im nordwestchinesischen Xinjiang produzierten tausende Arbeiter in einer hochmodernen Fabrik Rohstoffe für Dopingmittel aller Art. Chinesische Hersteller bieten im Internet Nandrolon, Testosteron, anabole Steroide und andere Mittel an, bei Bedarf kiloweise und weltweit. Email genügt. Wenn der Kunde es wünscht, werden sie in Frachtpapieren als Grundstoffe für Kosmetika deklariert.

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