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Sport: Die Aura sitzt im Pub

Nach Federers Ausscheiden könnte in Wimbledon die Zeit der jungen Spieler anbrechen

Es lag eine gewisse Ironie darin, dass Roger Federer zum Wimbledon-Auftakt in einem Werbespot seines Schlägerherstellers mitspielte. Er mimt dort gekonnt den Psychiater, der einem strauchelnden Hobby-Tennisspieler zu mehr Erfolg verhelfen möchte. Aber gerade, als die Lösung greifbar nahe ist, sagt er bedauernd: „Oh, schade, die Zeit ist um.“ Dass diese Pointe schon bald auf ihn selbst zutreffen würde, hätte Federer wohl nicht vermutet. Als er im Viertelfinale dem Tschechen Tomas Berdych in vier Sätzen unterlag, war auch Federers Zeit als König des All England Clubs abgelaufen.

Und als der 28 Jahre alte Schweizer am Donnerstag zum Spielereingang vorgefahren wurde, vier Tage früher als in den vergangenen sieben Jahren, um seinen Spind in der Umkleide auszuräumen, und die Anlage eilig wieder verließ, schien eine Ära zu enden. Vor neun Jahren hatte Wimbledon-Legende Pete Sampras hier in der vierten Runde in fünf Sätzen verloren. Sein Bezwinger hieß Federer, der Sampras’ Siegesserie von 31 Matches in Folge beendete. Einen achten Titel sollte der Amerikaner nie mehr gewinnen. Bleibt der sechste auch für Federer der letzte? Die britische Presse ist sich dessen sicher und fiel über den 16-maligen Grand-Slam-Sieger erbarmungslos her. Dass Federer so wenig Positives über seinen Gegner sagte und stattdessen Rückenprobleme und Schmerzen im Bein anführte, ließ ihn zudem wie einen schlechten Verlierer dastehen.

Dabei hatte Tomas Berdych durchweg stark gespielt. Sein Auftritt zeigte, dass die hungrige Konkurrenz längst die Angst vor Federer verloren hat. War es früher schon eine Glanztat, dem Schweizer auch nur einen Satz abzunehmen, so wissen sie inzwischen, dass auch Federer verwundbar ist. Die Tage der Unbezwingbarkeit sind vorüber. „Seine Aura sitzt im Pub und trinkt Bier“, lästerte der „Daily Telegraph“.

Doch die jungen Spieler, die darauf lauern, Federer abzulösen – wie Andy Murray, 23, oder Berdych, 24, der gestern Novak Djokovic, 23, im Halbfinale 6:3, 7:6 (11:9), 6:3 besiegte –, müssen erst beweisen, dass sie diese Leistungen konstant bringen können. Bisher vermochten sie das nicht. Auch der verletzungsanfällige Weltranglistenerste Rafael Nadal nicht – obwohl der 24-Jährige gestern Murray 6:4, 7:6 (8:6), 6:4 besiegte und am Sonntag gegen Berdych im Finale steht.

Der britische Ex-Profi Tim Henman glaubt, dass niemals wieder ein Spieler so dominieren wird wie Roger Federer in den vergangenen vier, fünf Jahren. Die Leistungsdichte ist so stark wie nie zuvor. Und der Vorsprung, den Federer aufgrund seines außergewöhnlichen Talents hatte, ist aufgeholt. Auch weil er seinen Körper immer öfter spürt und etwas von seinem Biss eingebüßt hat. „Roger muss das als Signal auffassen“, sagt Henman, „er muss sein Spiel weiterentwickeln. Dann kann er nochmals die Nummer eins werden.“ Am Montag rutscht der Schweizer erstmals seit sieben Jahren auf Rang drei ab. Altmeister John McEnroe warnt jedoch davor, ihn zu schnell abzuschreiben: „Als Roger hier vor zwei Jahren gegen Nadal verlor, sagten auch alle: Das war’s mit ihm. Dann kam er zurück, um Petes Rekord zu brechen.“

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