zum Hauptinhalt

Sport: Die Bauern retten den Weltmeister

Dortmunder Schachtage: Kramnik im Halbfinale

Dortmund – Während Wladimir Kramnik und Peter Leko auf der Bühne des Dortmunder Schauspielhauses nachsitzen mussten, verfolgte Viswanathan Anand entspannt in den Zuschauerreihen die Stichpartien seiner Konkurrenten. Der ehemalige Weltmeister aus Indien hatte das Halbfinale der 32. Schachtage längst erreicht. „Eine bequeme Qualifikation, aber jetzt muss man das vergessen und sich auf den nächsten Teil des Turniers konzentrieren.“ Anand spricht Deutsch. „2002 habe ich ein bisschen mit dem Wörterbuch angefangen“, sagt er. In diesen Tagen schaut er indes eher in Schachbücher, oder genauer: in den Laptop, wo über drei Millionen Partien und Geheimanalysen gespeichert sind. Heute wird ihm Leko gegenübersitzen, im anderen Halbfinale spielen Weltmeister Kramnik und Peter Swidler.

Alle Favoriten haben es unter die letzten Vier geschafft, dabei nicht immer überzeugt. Besonders der 14-jährige Wunderknabe Karjakin stand kurz vor einer Sensation, als er Kramnik überspielte: Der junge Ukrainer erreichte großen Materialvorteil, er besaß noch eine Dame und einen Freibauern, Kramnik bloß einen Turm und Bauern. Doch kurz vor dem nahen historischen Sieg ließ Karjakin wiederholt Gewinnmöglichkeiten aus, bis der Weltmeister eine wundersame Rettung fand. Das Publikum applaudierte stehend.

Auf diesen Schreck leerte Kramnik am Abend mit seinem Manager und seinem Sekundanten eine Flasche Rotwein. Er habe sich gut in Karjakins Lage hineinversetzen können, fühlte sich an eine eigene Jugendpartie gegen Anatoli Karpow erinnert. „Damals hatte ich mich auch nur gefragt: Wann gibt der denn endlich auf. Am Ende wurde es nur remis.“ Immerhin, in einer Stichpartie konnte Karjakin Kramnik dann doch noch bezwingen, es blieb allerdings ein Achtungserfolg, weil er in den ersten drei Stichpartien seinen Gegnern unterlegen war. In ein paar Jahren will Karjakin Weltmeister sein. Zur Schule geht er nicht mehr, er lernt zu Hause, in Simferopol. „Mein Vater war mein erster Lehrer“, sagt er. Da war Sergej fünf. Mit zwölf wurde er Großmeister. Experten meinen, er spiele stärker als Bobby Fischer, Garry Kasparow oder Kramnik im gleichen Alter.

Angesichts der in Dortmund versammelten Schach-Elite geriet Bundestrainer Uwe Bönsch ins Grübeln. „Für uns ist es natürlich frustrierend, dass wir aus unserer breiten Masse guter Spieler keine absoluten Spitzenspieler herausfiltern können.“ Ursachen? Bönsch: „Bei uns entscheiden sich fast alle Spieler ab einem gewissen Zeitpunkt für die berufliche Entwicklung, weil es eben sehr schwer ist, mit Schach seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false