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Sport: Die Borussia-Fans haben nur noch eine Sorge: Wer kommt nach Udo Lattek? Rudi Gutendorf oder Jupp Derwall?

Langsam, aber sicher macht man sich in Dortmund jetzt Sorgen. Nein, nicht die Fans, die haben dieses Stadium längst überwunden.

Langsam, aber sicher macht man sich in Dortmund jetzt Sorgen. Nein, nicht die Fans, die haben dieses Stadium längst überwunden. Die Fans machen sich keine Sorgen mehr, haben nicht mal mehr Angst - die sind einfach nur noch deprimiert. Sorgen macht sich jetzt die Vereinsführung. Das Präsidium von Borussia Dortmund ist fünf Spieltage vor dem Abstieg in die zweite Liga bewusstseinsmäßig da angekommen, wo selbst die verklärtesten Anhänger des Vereins schon vor eineinhalb Jahren waren.

Nicht, dass sie damals wirklich damit rechneten, ihr Verein könne tatsächlich nochmal in die zweite Bundesliga absteigen. Dafür wirkten die betäubenden Erfolgserlebnisse zwischen 1995 und 1997 noch zu sehr nach. Aber - man machte sich eben Sorgen. Gründe gab es genug: Die schäbige Abwicklung Ottmar Hitzfelds, des besten Trainers, den Borussia seit 1966 hatte. Die unwürdige und unbeholfene Streberei, Bayern München nachzuäffen. Die Arschkriecherei gegenüber so genannten Führungsspielern, die nur noch darauf aus waren, sich einen obszön überbezahlten Vorruhestand zu sichern. Ganz zu schweigen vom neureichen Angebergetue, man werde bis zum Sankt Nimmerleinstag die Bundesliga von oben kontrollieren, und nach dem Börsengang auch noch den Aktienindex.

Die Phantasie der Verantwortlichen blühte ekzemartig. Man hatte nicht den Papst in der Tasche, man war selbst Papst. Im sicheren Gefühl der Unfehlbarkeit halluzinierte man sich in eine irreale Welt, in der Fans nur noch als kostümierte Claqueure der wirtschaftlichen Expansion Platz fanden. "Kommerz mit Herz" hieß die unanständige Parole, mit der die Lizenzverscherbelung, zusätzliche VIP-Bereiche im "Erlebnispark Westfalenstadion" und eben die Börsenplatzierung dem gemeinen Klatschvieh angedreht werden sollten. Während sich die Club-Obrigkeit schon in den Leitartikeln von "Handelsblatt" und "Financial Times" gewürdigt sah, studierte man auf den Tribünen weiterhin die Kurstabellen in der Fußballfachpresse. Die aber notierte die Mannschaft nüchtern im wertlosen Mittelfeld, Tendenz fallend. Lauter werdender Unmut des erdigen Publikums wurde im Präsidentenhimmel, wenn überhaupt, als Majestätsbeleidigung wahrgenommen. Dabei stand das großkotzige Geprotze nach außen nie in einem vernünftigen Verhältnis zu den inneren Strukturen des Vereins. Die waren seit Jahren ungefähr so zweitligareif wie die Spielkunst der aktuellen Mannschaft.

Jetzt macht man sich also selbst im BVB-Präsidium Sorgen. Dass die Chefetage notgedrungen ihr Paralleluniversum verlassen musste, ist für den Anhänger kein Trost. Er kümmert im Westfalenstadion 2000 und besichtigt die von oben abgeschossenen Vorauskommandos. Soeben wurde der Aufprall Udo Latteks regungslos zur Kenntnis genommen. Nach diesem verglühten Stern ist man allerdings auf alles gefasst. Bis der Vorstand des Vereins den endgültigen Rücksturz zur Erde absolviert hat, muss der Fan noch mit weiterem kosmisch-komischen Beschuss rechnen. Nichts ist undenkbar. Illusionsloseste Realisten richten sich auf Berti Vogts, Jupp Derwall, Dettmar Cramer und Rudi Gutendorf ein.Fritz Eckenga (45), freier Autor und Kabarettist, lebt "in Borussia Dortmund".

Fritz Eckenga

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