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Sport: Die Chaosliga

BBL-Chef Reintjes erwägt, den Lizenzentzug zurückzunehmen

Berlin. Carsten Kerner ist ein Mensch, der normalerweise eine Basketball-Tabelle verstehen kann. Schon frühzeitig geriet er in seiner früheren Eigenschaft als Nachwuchstrainer des TuS Lichterfelde mit Tabellenständen jeglicher Art in Berührung, und auch jetzt, als Manager bei Alba Berlin, gehört der Blick auf die jeweilige Rangliste zu seiner täglichen Pflichtübung. Also Herr Kerner, können sie sagen, wie die aktuelle Bundesligatabelle aussieht? Wie viele Punkte haben die beiden Alba-Verfolger Bonn und Oldenburg auf ihrem Konto? Carsten Kerner sitzt auf dem Podium im Presseraum der Max-Schmeling-Halle und sagt: „Keine Ahnung.“

Seit dem vergangenen Freitag ist das Chaos in der Basketball-Bundesliga (BBL) perfekt. Zwei unterschiedliche Tabellen veröffentlichte die Liga am vergangenen Wochenende: Eine, bei der dem Mitteldeutschen BC alle Punkte aberkannt und die noch ausstehenden Spiele den Gegnern zugesprochen wurden. Und eine, bei der der Klub wieder normal eingereiht ist. Welche der beiden Tabellen Gültigkeit besitzt, ist weiterhin unklar.

Am Freitag hat die Geschäftsführung der Liga dem Mitteldeutschen BC, der sich in der Insolvenz befindet, das Teilnahmerecht gekündigt. Seit Montag denkt die Liga darüber nach, diese Entscheidung wieder zurückzunehmen. „Wir können uns in einen Rechtsstreit begeben, der Wochen dauern kann“, sagt Liga-Chef Otto Reintjes, „oder wir können die Kündigung zurücknehmen.“ Der Insolvenzverwalter des MitteldeutschenBC, Dieter Kühne, rechnet fest mit Letzterem. „Die Kündigung war rechtswidrig.“

Der Berliner Rechtsanwalt beruft sich auf ein Schreiben der Liga vom 19. März, in dem Reintjes und der Vorsitzende des Lizensierungsausschusses, Wolfgang Kram, ausdrücklich auf den Entzug der Lizenz verzichteten. „Der Lizenzentzug ist uns ohne Begründung mitgeteilt worden“, sagt Kühne. Er hatte rechtliche Schritte angedroht. Das wiederum überraschte die Geschäftsführung der BBL, die offenbar damit nicht gerechnet hat. Otto Reintjes sagt: „Wenn ich am Freitag gewusst hätte, dass es auf jeden Fall zu einem Rechtsstreit kommt …“ Hätte er sich denn nicht vor der Entscheidung beim Insolvenzverwalter nach dessen Meinung erkundigen können? „Ja“, antwortet Otto Reintjes, „das ist richtig.“

Bereits die Entstehungsgeschichte des Lizenzentzugs ist undurchsichtig. „Wir sind von Wolfgang Kram am Donnerstag bei der zweitägigen Klausurtagung über den aktuellen Stand beim MBC informiert worden“, erzählt Kerner, „anschließend ist ein Meinungsbild erstellt worden, in dem sich jeder Verein äußern konnte.“ Einen Beschluss aber hätten die Vereine nicht gefasst. „Das ist eine Entscheidung der Geschäftsführung“, sagt Kerner. Albas Manager erfuhr erst am Freitagabend von dem Beschluss, den Mitteldeutschen BC aus dem Spielbetrieb auszuschließen.

„Vielleicht hat die Geschäftsführung ja neue Erkenntnisse erhalten“, sagt Kerner. Reintjes führt jedoch in einer Pressemitteilung die Klausurtagung als Grund an: „Die Mehrheit der Vereine war nach der Klausurtagung in Frankfurt der Auffassung, dass man unlauterem Geschäftsgebaren Einhalt gebieten muss.“

Manager Kerner bemühte sich am Montag sichtlich, sich mit der Kritik an der Ligaführung zurückzuhalten. Er sagte lediglich: „Die Informationen liegen noch nicht alle auf dem Tisch.“ Etwas deutlicher wird schon Albas Nationalspieler Mithat Demirel, der früher selbst in Weißenfels spielte: „Das wirkt alles sehr unprofessionell.“ Die Tagung der Vereine war einberufen worden, um über die zukünftige Ausrichtung der Bundesliga zu sprechen. Es wurden Fragen diskutiert wie: Will die Liga noch mehr in die Metropolen ziehen? Wie wird sie reagieren, wenn die NBA nach Europa kommt? Und braucht die Liga eine professionellere Führungsstruktur? Für die Beantwortung der letzten Frage haben die Stunden und Tage danach noch ein paar wichtige Hinweise erbracht.

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