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Sport: „Die Deutschen verstehen uns nicht“

Herthas Brasilianer Luizao über sein Heimweh, seine Tor-Blockade und die Kunst, optimistisch zu sein

Herthas ehemaliger Spieler Sebastian Deisler hat kürzlich gesagt, wenn er Fußball spielt, gibt er auch ein Stück von seiner Seele preis. Können Sie verstehen, was er damit meint?

Er gibt sich dem Spiel voll hin, das meint er wohl. Ein Brasilianer kann das gut verstehen. Fußball ist unsere Leidenschaft. Außerhalb des Platzes bin ich zwar eher ruhig und zurückhaltend. Aber auf dem Feld möchte ich alles geben, was in mir steckt. Für dieses schöne Spiel.

Es gelingt nicht immer.

Nein. Aber so ist das Leben. Ich erlebe gerade eine Zeit, die mich erfahrener und stärker macht. Ich habe in der Bundesliga erst ein Tor geschossen. Ein Tor in sieben Monaten! Trotzdem werde ich den Glauben an mein Können deswegen nicht verlieren. Ganz sicher nicht. Ich weiß, dass ich mit hohen Erwartungen verpflichtet worden bin. Und glauben Sie mir, ich habe es mir auch anders vorgestellt. Ich dachte, ich finde schneller zu meiner Stärke aus brasilianischen Tagen zurück. Ich habe in Brasilien Tor um Tor geschossen. Dort kann keiner glauben, dass ich hier erst einmal getroffen habe. Aber diese Schwierigkeiten, die ich habe, haben auch einen kräftigen Geschmack. Es fühlt sich scharf an, aber ich kann es schlucken.

Das hört sich sehr kühl an, was sagt denn das Herz?

Es pocht, aber ich werde trotzdem nicht den Kopf verlieren. Ich weiß schon, was ich kann, was gut für mich ist.

Was ist es genau?

Na ja, Tore in erster Linie. Ich muss zusehen, dass ich sie wieder schieße.

War es vielleicht der falsche Zeitpunkt, direkt nach der WM nach Berlin zu kommen?

Den Zeitpunkt habe ich damals selbst gewählt. Die Erwartungen waren riesig, ich hatte viele Tore in Brasilien geschossen, und dann bin ich auch noch als Weltmeister nach Berlin gekommen. Ich kam einfach nicht in meinen Spielrhythmus, ich war verletzt, körperlich nicht fit, habe kaum gespielt. Es ist nicht leicht, sich in einer solchen Situation in Deutschland zurechtzufinden.

Und anscheinend auch nicht auf dem Fußballplatz.

Genau. Man braucht Zeit, um wieder ein Gefühl für den Ball, für den Platz, für die Laufwege zu entwickeln. Jetzt bin ich langsam so weit. Ich fühle mich gut. Die nächste Saison wird besser werden.

Sie reden sich die Situation schön?

Nein. Aber wir Brasilianer sehen das Licht und nicht den Tunnel. Es hilft uns, dass wir das Leben mögen, dass wir Spaß haben. Es mag Ihnen wie ein Klischee vorkommen, aber es steckt in uns drin. Es ist ein Teil unserer Persönlichkeit.

Haben Sie denn in Berlin genug Spaß am Leben?

Natürlich habe ich in Brasilien mehr Spaß, aber ich fühle mich auch in Berlin wohl. In Brasilien willst du immer schön spielen, du trainierst weniger, aber spielst dafür zweimal die Woche. Spielen ist pure Energie. Sie hilft. Hier in Deutschland wird mehr Wert aufs Training gelegt. Disziplin ist hier nun mal wichtig. Und wir Brasilianer müssen uns anpassen.

Und manchmal darf man in Deutschland auch keinen Karneval feiern bis in die Morgenstunden hinein, so wie es kürzlich Ihr brasilianischer Mannschaftskollege Marcelinho in einer Berliner Bar getan hat. Manager Hoeneß war danach ziemlich verärgert.

Ich denke, Spiel und Spaß gehören für uns Brasilianer eng zusammen. Was ich nur bedauere, ist, dass ich damals nicht Karneval gefeiert habe. Ich vermisse dieses brasilianische Lebensgefühl schon sehr. Aber ich habe einen Satelliten auf dem Dach und kann brasilianisches Fernsehen empfangen. Ich telefoniere jeden Tag drei bis viermal mit meiner Familie, mit meiner Mutter oder meinem Bruder.

Wäre es nicht manchmal hilfreich, den Kontakt lieber zu beschränken, um nicht ständig an die Heimat zu denken?

Nein. Brasilien gibt mir Kraft. Mir kann im übertragenen Sinne nichts Böses widerfahren Es ist eine gewisse Zuversicht, die ich in mir trage. Und wenn es ganz schlecht läuft, dann sind da vor allem meine Frau und meine kleine Tochter, die mich halten.

Reicht das aus, um sich in Deutschland richtig wohl zu fühlen?

Rundum glücklich ist ein Brasilianer nur in Brasilien. Das sagt nichts gegen Deutschland.

Was sagt es dann?

Es ist vielleicht ganz einfach: Die Deutschen verstehen die Mentalität der Brasilianer nicht und umgekehrt.

Vielleicht sollten ein paar Deutsche mal in Brasilien spielen?

Oh, es würde ihnen schwer fallen, nach Deutschland zurückzukehren. Sie würden Brasilien viel zu sehr lieben.

Das Gespräch führten Sven Goldmann

und Armin Lehmann.

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