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Tauchfahrt. Eigentlich hatte der neuseeländische Steuermann Peter Burling alles im Griff, bis er sich verschätzte und mit seinem Katamaran vornüber kenterte.

© AFP / Mark Lloyd

Kenterung beim America's Cup: Die Favoriten aus Neuseeland stürzen im Halbfinale

Die Neuseeländer haben beim America's Cup auf den Bermudas bislang alle dominiert. Bis die Briten sie im Halbfinale in eine Falle locken.

Es ist einer dieser Tage, an denen man lieber nicht aufs Wasser gehen würde. Aber man ist ja Profi. Das dürften sich die vier Steuerleute gedacht haben, als sie am Dienstagmittag ihre komplizierten Rennkatamarane bestiegen, um im Großen Sund der Bermuda Islands das Halbfinale des Louis-Vuitton-Cups zu bestreiten. Zuerst sollten die aerodynamischen Bootsverkleidungen abgerissen werden und wegfliegen, die hydraulischen Systeme sollten versagen, und schließlich sollte es sogar zu einer spektakulären Kenterung kommen.

Bis dahin hatte sich das Archipel 1000 Meilen vor der US-Küste von seiner paradiesischen Seite gezeigt. Türkis-blaues Wasser, mäßige Winde, milde Temperaturen. Gegen Ende der ersten Woche flaute der Wind sogar soweit ab, dass den sechs Teams der ersten Ausscheidungsrunde besonderes Fingerspitzengefühl abverlangt wurde. Insbesondere das britische Team um Ben Ainslie hatte in den windschwachen Bedingungen der Vorrunde gehörige Probleme, den Katamaran konstant zum „Fliegen“ zu bringen, die Ansteuerung der Unterwasserflügel stellte ein großes Problem für sie dar. Was insofern verwunderte, als dass sie immerhin als Sieger der Weltcup-Serie in diese Entscheidungsrennen gegangen waren. Ainslie selbst erwies sich allerdings als brillanter Starter, der beinahe jedes mal als erster die Startlinie überquerte, wenn er sich danach auch gelegentlich als Gejagter zu überhasteten Manövern und Fehlern hinreißen ließ.

Für alle Teams sind die fliegenden 45-Fuß-Katamarane noch relativ neue Gefährte. Sie lernen noch, wie sie die schnellsten je gebauten Segelboote optimal über den Parcours bringen können. Für die Franzosen um Franck Cammas, die lediglich zwei Monate Vorbereitungszeit besaßen, reichte es nicht. Mit nur zwei Siegen aus zehn Rennen sind sie als erste ausgeschieden. Immer wieder stürzten sie spektakulär aus dem Flugmodus in die Wellen, was bei den hohen Geschwindigkeiten an der 35-Knoten-Grenze sofort zu uneinholbaren Rückständen führt.

Die Briten lagen 3:0 hinten.

Auch Titelverteidiger Oracle Team USA verabschiedete sich nach den ersten zehn Duellen aus dem Wettbewerb. Wenn auch nur vorübergehend. Die Amerikaner gewannen mit acht Siegen knapp vor den Neuseeländern, die ebenfalls acht mal gewannen. Dass sie überhaupt an dieser Regatta der Herausforderer teilnahmen, ist ein Novum dieses 35. America’s Cup. Bislang hatte sich der Verteidiger nie in der 160-jährigen Geschichte dieses Wettbewerbs in die Ermittlung seines Herausforderers eingemischt. Es wäre ihm nicht im Traum eingefallen. Stattdessen baute er sich intern eine Konkurrenz auf, mit der er trainieren konnte.

Der den Titel trägt. Vorerst muss James Spithill von draußen zugucken, während die Herausforderer unter sich ermitteln, wer gegen ihn und sein US-Team antreten darf.
Der den Titel trägt. Vorerst muss James Spithill von draußen zugucken, während die Herausforderer unter sich ermitteln, wer gegen ihn und sein US-Team antreten darf.

© AFP / Mark LLoyd

Von diesem Prozedere ist man diesmal sehr zum Bedauern der Neuseeländer abgewichen, die sich der Vereinbarung der übrigen Herausforderer mit Oracle ausdrücklich nicht anschlossen. Sie halten sie für unfair. Zwar nahm Oracle keinen Einfluss auf die Rangfolge, wie die Kiwis befürchtet hatten. Doch nehmen die Amerikaner als Rundenerster nun den Bonuspunkt in das Duell der Duelle mit, in welchem sie Mitte Juni dem besten der vier verbliebenen Herausforderer gegenübertreten werden. Bis zum Ende dieses stürmischen Renntages standen die Chancen gut, dass es Emirates Team New Zealand seien würde.

Dessen Skipper, der junge Olympiasieger im 49er von Rio, Peter Burling, wählte sich als Halbfinalgegner „Big Ben“ Ainslie. Obwohl es für den viermaligen englischen Olympiasieger gewöhnungsbedürftig gewesen sein dürfte, dass da einer freiwillig gegen ihn antreten wollte, war die Wahl taktisch klug. Die Briten hatten erkennbar Probleme gezeigt, es war besser für Burling, sich den vermutlich stärksten Gegner möglichst früh vorzuknöpfen, bevor der seine Anlaufschwierigkeiten überwunden haben würde. Die ersten beiden Rennen am Montag schienen dem jüngsten AC-Skipper recht zu geben. Nachdem Ainslie den Start für sich entschieden hatte und eine knappe Führung behauptete, ging ein Steuerungselement seines Flügelmasts kaputt. Die Briten gaben auf. Und sie bekamen den Schaden auch nicht mehr rechtzeitig vor dem zweiten Rennen behoben. So stand es 2:0 für Neuseeland.  

Dean Barker ist die Ruhe selbst

Für das Herausforderer-Finale haben sich die beiden Teams qualifiziert, die als erstes fünf Rennen gewonnen haben. Die Kiwis schienen da lange das Maß aller Dinge zu sein. Burling steuert seinen Katamaran mit solcher Dynamik durch Wenden und Halsen, dass er kaum je das Wasser berührt. Seine „Flugzeiten“ liegen regelmäßig bei 98 Prozent, während die anderen gut sind, wenn sie 95 Prozent schaffen. So dominierte Burling seinen Kontrahenten Ainslie auch im dritten Rennen. Doch zeigte sich das Wetter am Dienstag von seiner garstigen Seite. Mit Windgeschwindigkeiten von annähernd 40 Stundenkilometern und durchziehenden Schauern, wurden die Boote weit über die Norm belastet. Ainslie meinte, dass er seinen Katamaran noch nie unter solchen Bedingungen gesegelt habe. Auch für die anderen Steuerleute war es ein Ritt auf der Rasierklinge, kleinste Fehler wurden bitter bestraft.

Niemand will Sir Ben Ainslie als Gegner haben. Normalerweise. Aber was ist schon normal bei diesem Hochgeschwindigkeitsrennen?
Niemand will Sir Ben Ainslie als Gegner haben. Normalerweise. Aber was ist schon normal bei diesem Hochgeschwindigkeitsrennen?

© AFP

Vor allem auf dem schwedischen und dem japanischen Boot reichte die von den Seglern an ihren Kurbeln erzeugte Energie wohl oftmals nicht aus, um das Boot bei so viel Wind in stabiler Lage zu halten. Die Crews waren oftmals überfordert, mehr mit sich selbst und der Verhinderung eines Fiaskos als mit dem Gegner beschäftigt. Der unter japanischer Flagge segelnde Neuseeländer Dean Barker kam in gewohnter Ruhe am besten mit den Widrigkeiten zurecht, machte am wenigsten Fehler und holte sich sehr zur Überraschung der Experten zwei Punkte.

Das eigentliche Drama des Tages sollte sich im letzten Rennen ereignen. Die Neuseeländer waren nicht ganz unbeeindruckt in den Renntag gestartet. Nur wenige Minuten vor dem ersten Start mussten sie den Ersatzflügelmast aus dem Hangar holen und montieren. Obwohl Burling danach zum ersten Tagessieg steuerte, verhielt er sich doch ungewohnt defensiv. Er profitierte von einem missglückten Wendemanöver seines Gegners.  Das reichte zum Sieg. Beim zweiten Rennen nötigte ihm Ainslie einen Zweikampf um die beste Startposition auf, er drängte ihn von der Linie weg, brachte ihm zum Stehen. Und während Ainslie mit dem letzten bisschen Schwung, den sein Boot besaß, davonstob, machte Burling genau den Fehler, den er hätte vermeiden müssen. Er ließ seinen Katamaran zu weit aus dem Wasser steigen und krachte mit solcher Wucht ins Wasser, dass sich das Boot über Kopf neigte und kenterte.

Zwangslage. Skipper Peter Burling (ganz rechts) muss in seinem Cockpit warten, bis Helfer den Katamaran wieder aufgerichtet haben.
Zwangslage. Skipper Peter Burling (ganz rechts) muss in seinem Cockpit warten, bis Helfer den Katamaran wieder aufgerichtet haben.

© AFP

Minutenlang harrten Burling und zwei seiner Mitsegler verkeilt in luftiger Höhe aus, während es zwei Crewmitglieder über Bord katapultiert hatte. Dann wurde der Katamaran von Helfern aufgerichtet. Zu Schaden kam niemand. Doch das Boot sah verheerend aus. Die Verkleidungen waren zerfetzt, das Flügelsegel löste sich in seine Bestandteile auf. Und auch die Elektronik dürfte beschädigt worden sein.

Für Mittwoch sind abermals stärkere Winde angekündigt. Sie sollen sich an der Grenze dessen bewegen, was die Regattaleitung für verträglich hält. Könnte also sein, dass abermals ein Tag mit spektakulären Szenen zu erwarten ist, der Boote und Mannschaften an ihre Belastungsgrenze führt. Vielleicht haben die Kiwis aber auch Glück und ihnen erlaubt ein segelfreier Tag, sich neu zu ordnen.

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