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Knapp daneben. Dominique Thiamale war in ihrem ersten WM-Spiel nicht zu beneiden: Die ivorische Torhüterin kassierte gegen Deutschland zehn Treffer.

© afp

Frauenfußball-WM: Die Fifa verteidigt ihr Herz für Exoten

Die Fifa weist die Kritik an der erhöhten Teilnehmerzahl bei der Frauen-WM zurück. Dem Weltverband geht es nicht nur um sportliche Fortschritte.

Es hat auch diesmal nicht lange gedauert, aber so ist das eben bei der Fifa: Kritik ist ein ständiger Weggefährte. Auch an der Frauen-WM in Kanada. Über den Kunstrasen in den sechs Stadien wurde monatelang debattiert und deswegen sogar ein Gericht bemüht. Und als dann das Turnier trotz allem doch glatt angelaufen war, war es auch nicht recht. Nun störten sich die Kritiker an den Resultaten. Am 10:0 der deutschen Frauen gegen die Elfenbeinküste beispielsweise oder vielmehr am 0:10 aus ivorischer Sicht. „Klar ist es schön, wenn die Kleinen mitspielen dürfen, aber die Attraktivität leidet. Der Schritt ist zu früh gekommen“, raunte die verletzte Nationalspielerin Kim Kulig.

Mit dem Schritt meint die TV-Expertin des ZDF die Aufstockung des Teilnehmerfeldes hinsichtlich der WM in Kanada, 24 statt 16 Teams, vor sechs Jahren von der Fifa beschlossen. Es bringt das volle Gefälle zutage, das andernorts freilich größer ist als in Europa. Das 10:0 der Deutschen, auch das 6:0 von Kamerun gegen Ecuador oder der bescheidene Auftritt Thailands – all das verleiht den Skeptikern Rückenwind. Tatjana Haenni ist durchaus bewusst: „Die Spitze entwickelt sich, der Rest hinkt hinterher.“ Die Schweizerin ist Direktorin für Frauenfußball bei der Fifa und verteidigt verständlicherweise die Aufstockung, die sie selbst angeregt hatte. Natürlich sei ein 10:0 nicht ideal, aber: „Auf lange Sicht betrachtet, ist es das Risiko wert, solche Resultate in Kauf zu nehmen.“ Sie verweist auf den Männerfußball, da habe es vor 30 Jahren auch solche Resultate gegeben: Als 1978 letztmals eine Männer-WM mit 16 Teams stattfand, gewann Deutschland gegen Mexiko 6:0. Heute sind die Mexikaner in der erweiterten Weltspitze anzusiedeln. „Das wird im Frauenfußball ebenfalls passieren“, glaubt die 49-Jährige.

Acht Neulinge haben sich für die WM qualifiziert, und nicht alles sind Exoten wie die chancenlose Elfenbeinküste oder Thailand. Andere Ergebnisse der ersten WM-Runde deuten zumindest an, dass die Aufstockung vielleicht doch richtig gewesen sein könnte. Die reifen Niederländerinnen bezwangen zum Auftakt Neuseeland, die offensiv erfrischenden Schweizerinnen dominierten Titelverteidiger Japan phasenweise. Und die größtes Überraschung von allen war das beeindruckende Kamerun.

Trotz der kaum zu meisternden sportlichen Aufgabe profitiere ein Landesverband wie der thailändische enorm von dieser ersten WM-Teilnahme, dieser Standortbestimmung, wie es Haenni nennt: „Jetzt kann er daheim sagen: Wollen wir besser werden, brauchen wir mehr Unterstützung. Und die wichtigen Fragen angehen.“ Fragen, wie sie in Deutschland oder Frankreich schon vor Jahrzehnten angegangen wurden. Fragen nach der Talentförderung, dem Ligabetrieb, der Sponsorensuche, der Medienabdeckung. „Wer nichts tut, ist im Kreislauf gefangen, dass kein Geld und kein Interesse da ist“, sagt Haenni.

Die Fifa fordert Zeit ein

Zeit fordert die Fifa auch in anderen Bereichen ein. Bei den Fans und der öffentlichen Wahrnehmung beispielsweise. Die Stadien sind zwar ordentlich gefüllt, der Zuschauerschnitt in der ersten Runde lag bei über 30 000, und in Vancouver ist die WM in vielen Kneipen im Fernseher zu verfolgen. Euphorie herrscht aber nicht im Schmelztiegel am Pazifik, und gerade in den Fanzonen ist es häufiger leer. Es ist das erste Mal in der Geschichte der Frauen-WM, dass in allen Spielorten solche offizielle Bereiche eingerichtet wurden, in Vancouver umfasst sie immerhin einen ganzen Straßenblock im Viertel Yaletown.

War das zu ambitioniert? Direktorin Haenni erkennt die Probleme zu Beginn der WM, streicht aber heraus: „Wir machen einen Schritt in die richtige Richtung, indem wir überhaupt Fanzonen haben. Über das ganze Turnier gerechnet, schauen sich in ganz Kanada Zehntausende die Spiele dort an.“ Sie appelliert an die Geduld: „Frauenfußball ist ein Produkt, das sich entwickelt. Und irgendwo müssen wir ja beginnen.“

Lukas Kuchen

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