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Sport: Die Fünf von der Tankstelle

Mit dem Rennen in Suzuka beginnt der Endspurt in der Formel 1: Wer hat die größten Chancen auf den Titel? Eine Analyse

Mit dem Großen Preis von Japan beginnt der Endspurt der Formel-1-Saison – es könnte der spannendste der Grand-Prix- Geschichte werden. Vor dem Rennen in Suzuka (Sonntag, 8 Uhr MESZ/RTL und Sky) sind noch fünf Fahrer in der Verlosung um den WM-Titel, darunter Sebastian Vettel. Wir analysieren ihre Stärken, Schwächen und Chancen.

MARK WEBBER

(202 WM-Punkte)

Der Australier könnte nach Jenson Button der zweite Überraschungsweltmeister in Folge werden. Wie schon Button 2009 hat auch Webber den großen Vorteil des schnellsten Autos, den er bisher deutlich gewinnbringender ausgespielt hat als sein Teamkollege Sebastian Vettel. Webber hat kaum Fehler gemacht, Glück mit der Technik gehabt und am konstantesten gepunktet. Man tut dem WM-Führenden aber unrecht, wenn man ihn als langweiligen Punktehamster abstempelt. Abgesehen von seiner Konstanz ist Webber nämlich auch schnell. Obwohl er vor der Saison noch als Nummer zwei bei Red Bull galt, hat er sich im internen Duell behaupten können. Für den 34-Jährigen spricht auch, dass praktisch alle verbleibenden Strecken aufgrund ihrer Charakteristik dem Red Bull am ehesten liegen sollten (siehe Restprogramm rechts). Andererseits hat der Druck, jetzt der Gejagte zu sein, bei ihm offenbar schon Spuren hinterlassen. Webber wirkte zuletzt ziemlich verkrampft und tat sich schwer; in Singapur hatte er viel Glück, dass er nach der Feindberührung mit Lewis Hamilton nicht auch ausschied. Er ist der Älteste und Erfahrenste der glorreichen Fünf, weiß aber auch: 2010 ist wohl die größte Chance seines Lebens, einmal Weltmeister zu werden. Das kann auch belasten.

FERNANDO ALONSO (191 Punkte)

Nicht nur für Niki Lauda ist der zweimalige Weltmeister der Favorit in diesem Modernen Fünfkampf. Der 29-Jährige ist für einen Spanier ungewöhnlich kühl und rational. Auch hinter dem Lenkrad verliert er nur selten die Beherrschung: Er holt meist das Maximum aus seinem Auto heraus und macht kaum Fehler. Zwar beging Alonso zu Beginn dieser Saison einige für ihn eigentlich untypische Patzer, doch rechtzeitig zum großen Finale scheint er seine Coolness wiedergefunden zu haben und gewann souverän die vergangenen beiden Rennen. Ein weiterer Vorteil Alonsos neben der Erfahrung in WM-Kämpfen, der sich noch als entscheidend herausstellen könnte, ist die Stallpolitik: Während sich Red Bull und McLaren (noch) gegen die Festlegung auf einen Titelanwärter wehren, hat der Spanier das komplette Ferrari-Team hinter sich – wie schon die Stallorder-Affäre in Hockenheim gezeigt hat. Allerdings ist sein Ferrari zwar besser geworden, dem Red Bull aber immer noch unterlegen. Und es darf nichts mehr kaputtgehen: Alonso hat als einziger Titelanwärter schon alle acht erlaubten Motoren verbraucht und muss nun bis Saisonende mit der gleichen Maschine auskommen. Andernfalls würde er zehn Startplätze verlieren – und damit wahrscheinlich auch die WM.

LEWIS HAMILTON (182 Punkte)

Viele halten den Weltmeister von 2008 für den schnellsten Fahrer im Feld. Bei seiner Lenkradakrobatik schießt der McLaren-Pilot aber leider manchmal ein wenig übers Ziel hinaus. Sein aggressiver Fahrstil zermürbt nicht nur schneller die Reifen als die sanften Kurvenfahrten seines Teamkollegen Jenson Button, er brachte ihm gerade in der jüngsten Vergangenheit auch den einen oder anderen Unfall in aussichtsreicher Position ein. So verspielte der ungestüme 25-Jährige seine WM-Führung, und es ist eher unwahrscheinlich, dass er sie in diesem Jahr noch einmal zurückerobern wird. Zumal keine der verbleibenden Strecken seinem McLaren, der lange Geraden und Schikanen bevorzugt, wirklich liegt. Am Freitag flog Hamilton in Suzuka jedenfalls schon wieder so heftig ab, dass es ihn fast den ganzen Trainingstag kostete.

SEBASTIAN VETTEL (181 Punkte)

Im Training ist er schon Weltmeister. Auch beim Freitagstraining in Suzuka hatte Vettel wieder einmal alles und alle im Griff und lag am Ende fast vier Zehntel vor Webber. Sieben Mal hat der 23-Jährige in dieser Saison die Poleposition geholt – aber nur zwei Rennen gewonnen. Vettel hat in dieser Saison eine Menge Punkte liegen lassen, gut gemischt lag es mal am Auto, mal am Team und mal an seinen eigenen Patzern. Dabei hat er trotz seiner Jugend eigentlich genügend Erfahrung, denn er ist in einer ähnlichen Position wie im vergangenen Jahr: ein Jäger im vermeintlich besten Auto, der Rückstand ist sogar geringer als 2009 auf Button. Sein großer Nachteil: Der Gejagte sitzt diesmal im gleichen Auto. Glücklicherweise tritt Red Bull dem deutschen Eigengewächs eher wohlwollend gegenüber, so dass Vettel nicht den Wasserträger spielen muss und einstweilen frei fahren darf. Man wähle für Webber im Titelkampf die konservative, für Vettel die risikoreiche Strategie, erklärte Teamchef Christian Horner vor dem Rennen in Suzuka. Trotzdem wäre es wichtig für den Heppenheimer, die 21 Punkte auf Webber so schnell wie möglich zu minimieren. Deshalb wird Vettel auch Südkorea in seine abendlichen Gebete einbeziehen. Wenn die Bauarbeiten an der neuen Strecke nicht rechtzeitig fertig werden, hat er nur noch drei Rennen für seine Aufholjagd. Ein wenig Glück braucht Sebastian Vettel also schon zum Titelgewinn. Vor allem in der Form, dass nichts mehr schiefgeht.

JENSON BUTTON (177 Punkte)

Der aktuelle Weltmeister ist der größte Außenseiter im Endspurt. Nur mit viel Glück und diversem Ungemach für die Konkurrenz wird Button seinen Titel verteidigen können. Der 30-Jährige hat als Fünfter bereits 25 Punkte (also einen Rennsieg) Rückstand auf Webber. Durch seine umsichtige und reifenschonende Fahrweise hat Button ähnlich konstant punkten können wie Webber, ihm geht jedoch ein wenig die Geschwindigkeit ab. Aus eigener Kraft scheint sein McLaren derzeit nicht siegfähig, und dass Button einem unterlegenen Auto keine Flügel verleihen kann, sah man schon letztes Jahr gegen Ende der Saison, als Brawn seinen Vorsprung bereits verspielt hatte. Da nützen dann auch Ruhe und Abgeklärtheit nicht mehr allzu viel. Gut möglich, dass der Brite als Erster aus dem Titelrennen herausfällt und dann vielleicht sogar seinen Teamkollegen Hamilton unterstützen muss.

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