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Sport: Die Geniestreiche des Zuarbeiters

Uruguay ist mehr als Diego Forlán – das zeigt Luis Suarez, der das Team beim 2:1 über Südkorea mit zwei schönen Treffern ins Viertelfinale schießt

„Für uns scheint die Sonne“, steht auf dem Bus der uruguayischen Mannschaft. Das entsprach nicht ganz der Wahrheit an einem kühlen Samstag mit düsteren Wolken und Regenschauern, die vom Indischen Ozean hinübergeblasen wurden ins Stadion von Port Elizabeth. Umso heller strahlten die stilisierten Sonnen auf den hellblauen Fahnen der uruguayischen Fans, die sie nicht nur zum Schutz vor der Kälte so wild schwenkten. Fernab der Mündung des Rio de la Plata wird dieses Spiel sicherlich künftig in wenigen DVD-Sammlungen einen Stammplatz haben, aber der Erfolg steht bekanntlich über jeder ästhetischen Kritik. Nach einem 2:1 (1:0)-Sieg im Achtelfinale über Südkorea geht die Reise weiter für den ersten aller Weltmeister, zunächst einmal bis ins Viertelfinale am kommenden Freitag in Johannesburg.

Der Held im Regensturm war dieses Mal nicht Weltstar Diego Forlán, sondern Luis Suarez. Der Stürmer von Ajax Amsterdam erzielte beide Tore. Er steht für die Entwicklung der Uruguayer seit dem wenig ansehnlichen 0:0 zum Auftakt gegen Frankreich. Anders als sich vor zwei Wochen andeutete, ist diese Mannschaft keineswegs eine von Diego Forlán inszenierte Ein-Mann-Veranstaltung mit freundlicher Unterstützung von zehn Zuarbeitern. Uruguay hat sich emanzipiert von dem bescheidenen Weltstar von Atletico Madrid, der anders als Portugals Cristiano Ronaldo sein großartiges Können ganz in den Dienst des Kollektivs stellt.

Schon beim 1:0 gegen Mexiko hatte Luis Suarez das Siegtor erzielt, beim 3:0 zuvor über Südafrika den entscheidenden Elfmeter herausgeholt. Der Stürmer von Ajax Amsterdam verbreitet so viel Torgefahr, dass Trainer Oscar Washington Tabarez es sich leisten kann, Forlán aus dem Angriff zurückzuziehen in die zweite Reihe. Auch auf dieser ungewohnten Position glänzte er gegen Südkorea. Mit seiner Übersicht und seiner großartigen Technik verleiht ein gestaltender Diego Forlán dem uruguayischen Konterspiel noch mehr Tiefe.

Immerhin beim ersten Tor hatte auch Forlán den Fuß im Spiel. Auf der linken Seite trickste erst seinen Gegenspieler Kim Jung-Woo aus und fabrizierte etwas, das Jung Sun Ryong wohl für keinen Torschuss hielt und deshalb nicht so richtig ernst nahm. Der Torhüter zog seinen Arm zurück und wähnte den Ball auf einem für ihn unbedenklichen Flug in Richtung Eckfahne. Auf dem Weg dorthin kreuzte er jedoch den Lauf von Suarez, der aus spitzem Winkel einschob zum 1:0.

Wenn die Uruguayer so weitergemacht hätten, wären sie wahrscheinlich kaum noch in Gefahr geraten. Allzu schnell aber opferten sie die neu gewonnene Lust am anspruchsvolleren Spiel ihren altbekannten Primärtugenden, und die bestehen nach wie vor darin, dem Gegner den Spaß am Spiel zu nehmen. Vielleicht vertrauen sie auch ein wenig zu sehr zu sehr darauf, alles werde seinen Weg gehen wie zuletzt gegen Südafrika und Mexiko. Die Südkoreaner aber machten sich nicht zu Untertanen jenes Gesetzes, nach dem die Uruguayer kein Spiel mehr verlieren, wenn sie denn erst einmal in Führung liegen.

Schon kurz vor Suarez' Führungstor hatte Park Chu-Yong einen Freistoß mit viel Raffinesse und Effet an den linken Pfosten gezirkelt. Dankbar schlug Uruguays Torhüter Fernando Muslera mit der Faust gegen das Aluminiumgestänge. Er musste im Achtelfinale mehr brenzlige Situationen überstehen als in der ganzen Vorrunde. Zum Beispiel kurz nach der Halbzeitpause, als der sonst so aufmerksame Kapitän Diego Lugano im Strafraum mit dem Kopf klären wollte und den Ball direkt auf den Fuß von Park Chu-Yong legte. Der schoss sofort und wuchtig, aber einen halben Meter zu hoch. Dann versuchte es Park Ji-Sung mit dem Kopf, doch Muslera fing den Ball mit elegantem Sprung. Die Koreaner drückten, die Koreaner stürmten, aber ihr Ideenreichtum hielt sich in überschaubaren Grenzen. Der Ausgleich fiel denn auch ein wenig überraschend, zumal Kopfbälle nicht gerade zu den koreanischen Spezialitäten gehören. Lee Chung-Jon Lee aber ließ sich nicht lange bitten, als Muslera und Lugano zögerten und tippte den Ball in der 68. Minute mit der Stirn aus nächster Distanz über die Torlinie.

Es sah nicht gut aus für Uruguay, aber dann gelang Suarez mit einem technischen perfekten Schlenzer eines der schönsten Tore der WM. Auf diesen Geniestreich zehn Minuten vor Schluss hatten die Südkoreaner keine Antwort mehr.

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