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Sport: Die Gerte rausgeholt

Die Reiterliche Vereinigung löst alle olympischen Kader auf – und untersucht Methoden der Reiter

Berlin - Dass seine Aussagen zu Doping und Medikation im Reitsport so eine drastische Reaktion auslösen würden, damit habe er nicht gerechnet, sagte Ludger Beerbaum überrascht. Vor wenigen Tagen verriet der Springreiter der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, dass er in der Vergangenheit seine Pferde stets ausgiebig mit Medikamenten behandelt habe, getreu dem Motto: „Erlaubt ist, was nicht gefunden wird.“ Die Empörung unter Reitern und Funktionären war groß. Die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) reagierte nun und löste am Donnerstag mit sofortiger Wirkung die Kader der olympischen Disziplinen Springen, Dressur und Vielseitigkeit auf. Beerbaum ist bis auf weiteres aus der Nationalmannschaft ausgeschlossen.

In einer außerordentlichen Sitzung beschlossen das Präsidium der FN sowie der Vorstand des Deutschen Olympiade-Komitees für Reiterei (DOKR), die Verbandsfunktionäre und Reiter von einer unabhängigen Kommission des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) untersuchen zu lassen. Die Kommission erhält den Auftrag, die momentane Situation im Spitzensport zu analysieren und dem Verband Empfehlungen zu geben, wie mit der aktuellen Manipulations- und Dopingproblematik im Reitsport umzugehen ist. Die Kommission solle auch Vorschläge zu möglichen Sanktionen von Funktionären und Reitern geben, teilte die FN mit.

Mit der Auflösung der Kader wolle man einen Schritt in Richtung Glaubwürdigkeit unternehmen, sagte FN-Präsident Breido Graf zu Rantzau. „Bevor ein Reiter wieder in den Kader aufgenommen werden kann, muss er sich der Sonderkommission stellen und sich zu seiner Einstellung sowie seinem Verhalten als Spitzenreiter äußern“, sagte zu Rantzau. Erst danach könne die Sonderkommission den Reiter wieder für eine eventuelle Kadermitgliedschaft vorschlagen. Die Kommission soll im Juni mit der Arbeit beginnen – erste Ergebnisse werden innerhalb eines Monats erwartet. „Hierbei geht Gründlichkeit vor Schnelligkeit“, betonte zu Rantzau und ergänzte: „Insofern erwarten wir, dass die Kommission bis zu einem Abschlussbericht noch deutlich länger benötigen wird.“

Ludger Beerbaum, dessen verbotene Medikation seines Pferdes die deutsche Equipe bei Olympia 2004 die Goldmedaille kostete, blieb unterdessen sehr gelassen. Er begrüße die Idee, alle Reiter nun von einer unabhängigen Kommission des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) untersuchen zu lassen, sagte Beerbaum. Es sei wichtig, dass sich endlich alle Beteiligten austauschten. „Wir müssen klare Regeln für die Benutzung von Medikamenten aufstellen“, sagte der Springreiter, mahnte aber auch: „Wir machen Leistungssport und sind kein Streichelzoo.“ So müssten für den Reitsport genauso wie auch für andere Leistungssportarten eindeutige Dopingregeln unter dem Code der Nationalen Anti-Doping-Agentur (Nada) gelten. Die Reiter wünschten, dass therapeutische Medikamente, zum Beispiel zur Muskellockerung, erlaubt seien. Was erlaubt und verboten sei, müsse präzisiert werden, forderte er.

Sportlich bedeute die Auflösung der Kader für ihn vorerst nichts, sagte Beerbaum. Da er von der Nationalmannschaft suspendiert ist, darf er ohnehin bei keinem Nationenpreis starten. Otto Becker, Bundestrainer der Springreiter, muss nun schnell einen Beerbaum-Ersatz für das internationale Turnier in St. Gallen am ersten Juniwochenende finden. Bis alle Kader-Reiter überprüft seien, gehe der Sport jedoch ganz normal weiter, sagte Becker, der versicherte, er begrüße die Gründung der externen Kommission. Dies sei ein deutliches Signal für einen Neuanfang im Reitsport, der durch immer neue Doping-Verdachtsfälle und durch das Doping-Urteil gegen Springreiter Christian Ahlmann nach den Olympischen Spielen in China einfach nicht zur Ruhe komme.

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