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Sport: Die Helsingborg-Therapie

Weil er im Verein nur dritte Wahl ist, wird Handball-Torhüter Henning Fritz im Nationalteam aufgebaut

Nach dem Schlusspfiff ist Henning Fritz nicht mehr zu halten. Die deutsche Handball-Nationalmannschaft hat mit 24:21 (10:10) gewonnen gegen den Außenseiter aus Griechenland, eigentlich ist nichts passiert, aber der Nationalkeeper hat noch eine offene Rechnung mit Giorgios Chalkidis. Dass der Grieche den Rechtsaußen Florian Kehrmann schwer gefoult und eine Verletzung riskiert hat, hat er nicht vergessen: Er läuft auf den bulligen Kreisläufer zu, fuchtelt zornig, erst Mitspieler Oliver Roggisch drängt ihn zurück.

Es ist nur ein Fragment des World Cups, der als Vorbereitungsturnier dient vor der am 19. Januar in Berlin startenden Weltmeisterschaft. Die Szene vor nur 435 Zuschauern im Idrottens Hus in Helsingborg zeigt jedoch, dass Henning Fritz auf dem besten Weg ist, wieder zu seiner herausragenden Form des Jahres 2004 zu finden, als er Welthandballer war. „Das war ein großer Schritt für Henning“, sagte Bundestrainer Heiner Brand nach dem Spiel. Fritz hatte in seinem 188. Länderspiel 14 Paraden gezeigt und zwei Siebenmeter entschärft. „Schön für ihn, dass er wieder so da ist, aber die Mannschaft braucht ihn auch.“

Henning Fritz hatte in den vergangenen Monaten das Feuer verloren, das ihn sonst ausgezeichnet hat. Früher schrie Fritz seine Vorderleute nach vorn, er stritt mit den Schiedsrichtern oder schaute ihnen wenigstens, wenn er sich benachteiligt fühlte, mit wutentbranntem Blick in die Augen. Manchmal, wenn er einen dieser Bälle gehalten hatte, die als unhaltbar gelten im Handball, weil sie aus nur einem Meter abgefeuert werden, rannte er seinen Gegnern bis zur Mittellinie hinterher und streckte ihnen, als Zeichen des Sieges, die geballte Faust entgegen. Wenn dieses Feuer aber in den vergangenen Monaten fehlte, hing das mit seiner Situation in seinem Verein zusammen. Beim Deutschen Meister THW Kiel hat Trainer Noka Serdarusics zuletzt Thierry Omeyer das Vertrauen geschenkt. Der französische Nationalkeeper kam im Sommer für 500 000 Euro Ablöse nach Schleswig-Holstein. Und wenn Omeyer einmal sein hohes Niveau nicht hält, steht meistens der Schwede Mathias Andersson zwischen den Pfosten, Fritz ist derzeit also nur dritte Wahl.

Die wenigen Einsatzzeiten wirken sich auf seine Leistung aus. „Wenn man im Verein viel spielt, ist man im Kopf einfach freier“, erklärt Johannes Bitter, sein Kollege im Nationalmannschaftskader. Fritz selbst ist jedenfalls verunsichert. Seine Körpersprache war zuletzt defensiv, er sprach leise, und er stellte selbst seinen Status in der Nationalmannschaft in Frage. „Ich glaube nicht, dass es im Moment eine klare Nummer eins gibt“, sagte er in Hannover nach der 27:30-Niederlage gegen Olympiasieger Kroatien. „Ich habe nicht die Form, die ich mir wünsche, aber ich hoffe, dass ich spätestens bei der WM in Bestform bin.“

Jedenfalls könnte man die Einsatzzeiten, die Fritz jetzt bei Brand bekommt, auch verstehen als Therapie vom tristen Alltag in Kiel. Diese Strategie muss sich nun in den wenigen Länderspielen bis zur WM bewähren. Auf die Situation im Verein kann Brand keinen Einfluss nehmen, „ich weiß ja, dass Noka Serdarusics mich nicht ärgern will“, sagt der 54-Jährige. Er baut seinen Torhüter weiter auf. Eigentlich sollte Fritz gegen Griechenland in der zweiten Halbzeit auf der Bank sitzen, „aber als er den Siebenmeter in der 29. Minute gehalten hat, da habe ich gedacht, jetzt bleibt er weiter im Tor“, sagte Brand. Damit Fritz das Feuer wieder findet.

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