zum Hauptinhalt

Sport: Die Langsamkeit neu entdeckt

Der Ausgleich in Dortmund übertüncht eine schwache Leistung des FC Bayern

In welch spektakulären Rollen durften wir Oliver Kahn bereits bewundern, wenn Bayern München seine Gastspiele in der traditionell aufgeheizten Atmosphäre im Dortmunder Westfalenstadion gab: als Karatekämpfer im Tiefflug gegen Stéphane Chapuisat, im Stile eines Mike Tyson als (beinahe) Ohrenbeißer im Nahkampf gegen Heiko Herrlich oder als Wut schnaubendes Opfer im Bananen-Hagel. Auch am Samstag konnten die BVB-Fans auf der Südtribüne nicht von der Unsitte lassen, Südfrüchte auf den ihnen so innig verhassten Torhüter zu werfen. Kahn hat es kaum bewegt zur Kenntnis genommen.

Fünf Minuten vor Spielschluss stand der Mann völlig regungslos am Rande seines Strafraums. Kein Schreien, kein Ballen der Faust, kein Beschimpfen seiner Vorderleute. Der Vulkan war erloschen. Genauso leblos, wie sich ihr emotionaler Vorkämpfer präsentierte, waren auch die Darbietungen, die das versammelte Ensemble an hoch dotierten Feldspielern im Bayern-Trikot auf dem Rasen geboten hatten. Einfach jämmerlich. Dortmund hatte bis zu diesem Zeitpunkt durch die beiden Treffer von Ewerthon ein 2:0 herausgeschossen, und nichts deutete darauf hin, als könnten die Bayern noch eine Wende schaffen. Genau das aber schafften sie in den letzen drei Spielminuten, durch Tore von Lucio und Roy Makaay. Der Mythos, dass die Bayern niemals abgeschrieben werden dürfen, lebt also weiter. Sie hatten sich nicht unterkriegen lassen. Sehr viel bemerkenswerter war jedoch das, was der Rekordmeister zuvor an Passivität und sonstigen Unzulänglichkeiten geboten hatte. Niemals zuvor sei es „so einfach gewesen, die Bayern zu schlagen“, sagte Rosicky. Ohne Ballack und Deisler schleppten sich die Münchner ohne Inspiration und Leidenschaft über den Platz. Dabei fordert Felix Magath in München, vom alten Bayern-Stil abzurücken und den Gegner mit höchster Laufbereitschaft in die Knie zu zwingen. Was die Münchener in Dortmund zeigten, mutete aber an wie die Wiederentdeckung der Langsamkeit.

Der spielerische Offenbarungseid entging auch Jürgen Klinsmann und Joachim Löw nicht. Beide wirkten nicht begeistert vom müden Kick im Westfalenstadion. Ähnlich wie Magath in München versucht auch das neue Bundestrainer-Duo, der von ihnen betreuten deutschen Nationalmannschaft mit einer Mischung aus Tempofußball, Kreativität und Hingabe neues Leben einzuhauchen. Da muss es Klinsmann und Löw mit Sorge erfüllen, wenn der Vorzeigeklub der heimischen Liga im Zeitlupentempo spielt.

Beim FC Bayern gingen sie über die Besorgnis erregende Verfassung ihrer Mannschaft jedoch nonchalant hinweg. Es war schon erstaunlich, wie bewusst Magath die Darbietung seine Mannschaft schönredete: „Von meiner Seite aus war das in Ordnung, dass wir das Spiel in der ersten Halbzeit kontrolliert haben.“ Vielleicht ahnt Bayerns Trainer ja mittlerweile, wie sehr die Dinge im Argen liegen. So sehr, dass es nicht mehr hilft, die Rute auszupacken. Mit Kapitän Kahn hat er da einen Bruder im Geiste. Der sprach in seiner Analyse von „unserem besten Saisonspiel. Ich glaube, das gibt uns einen richtigen Schub.“ Der einzige Münchnerer, der die kritische Lage auch so benannte, war der Vorstands-Vorsitzende Karl-Heinz Rummenigge: „Was wir hier über weite Strecken geboten haben, war eines FC Bayern unwürdig.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false