zum Hauptinhalt

Sport: Die Leidgeprüften

In 18 Tagen durch die Liga/Heute: Bayer Leverkusen

Die neue Saison der Fußball-Bundesliga beginnt am 9. August. Anhand von zehn Fragen stellen wir bis dahin alle 18 Vereine vor.

Wer hat das Sagen? Reiner Calmund, von den Fans gern auch „Der Pate“ oder „Dä Calli“ genannt. Der umtriebige Rheinländer ist die Personifizierung des Leverkusener Erfolgs. Calmund entwickelte den Klub zu einem wohlorganisierten Wirtschaftsunternehmen und ist verantwortlich für das Scouting-System, das viele talentierte Spieler unter das Bayer-Kreuz führte. Das Schwergewicht überstand sogar den publizistischen Orkan infolge der Kokain-Affäre um den ehemaligen Trainer Christoph Daum. Doch nun hat Calmund einen allmählichen Rückzug angekündigt, präsentierte bereits seinen Lehrling Ilja Kaenzig als Nachfolger. Was nie jedoch vergessen werden darf: Die Fußballabteilung, „der beste Werbeträger neben Aspirin“ (Bayer-Sportbeauftragter Meinolf Sprink), ist stets abhängig vom Konzern.

Was ist das Besondere? Die Ordnungszahl Zweiter. Solange Bayer Leverkusen nicht Deutscher Meister wird, wird der Klub immer den Makel „ewiger Vizemeister“ tragen. Viermal in den letzten sechs Spielzeiten sprang am Ende dieser Platz in der Bundesliga heraus, in der letzten Saison verspielte die Mannschaft gar einen Fünf-Punkte-Vorsprung in den letzten drei Spielen; danach konnte der fassungslose Manager Calmund seine Tränen nicht zurückhalten. Als ob das noch nicht genug Leid wäre, folgten noch die Niederlagen im DFB-Pokal- und im Champions-League-Finale.

Was hat sich verbessert? Laut Trainer Klaus Toppmöller die „Qualitätsbreite“. Zwar haben in Ballack der beste Torschütze und in Zé Roberto der beste Vorbereiter den Klub in Richtung München verlassen, doch investierte Bayer die Einnahmen aus diesen Transfers und der Champions League in sechs viel versprechende Spieler. In der letzten Saison mussten vor allem die Abwehr- und Mittelfeldakteure wie Ramelow, Lucio, Bastürk und Schneider aufgrund des unausgeglichenen Kaders durchspielen – nun hofft Toppmöller, Verletzungen und Sperren besser kompensieren zu können.

Wie sicher ist der Trainer? Der Stuhl des Übungsleiters ist in Leverkusen so sicher wie kaum ein anderer in der Bundesliga. Seit Anfang letzter Saison ist Klaus Toppmöller nun im Amt, und es hat seitdem um den Trainer keine Aufregungen gegeben. Er ist fachlich so souverän wie Daum, verzichtet jedoch auf die Allüren und Extrovertiertheiten des Fast-Bundestrainers; er ist, ganz anders als Vogts, der Journalisten als Feinde betrachtete, sicher und professionell im Umgang mit den Medien. Zudem wird Toppmöller eine gute psychologische Gabe attestiert.

Wie passen die Neuen? Die WM-Fahrer sind erst seit zwei Wochen im Training und haben bisher kaum mit den Neuen gespielt. Vor allem Nowotny-Ersatz Juan hat in den Testspielen bisher durch Zweikampfstärke überzeugt. Doch auch Bierofka, Balitsch und selbst Simak, in Hannover zuletzt oft Unruhestifter, wird eine schnelle Integration zugetraut. Auf die Künste des Brasilianers Franca, der Kirsten ablösen soll, wird man noch warten müssen: Er ist mindestens sechs Wochen verletzt.

Welche Taktik wird verfolgt? Leverkusens Stärke in der letzten Saison war die große Flexibilität, mit der Klaus Toppmöller trotz dünner Personaldecke im taktischen Bereich agierte. So trat Leverkusen, das bis dahin fast ausschließlich im 3-5-2-System aufgelaufen war, beim entscheidenden Spiel in La Coruña mit nur einer Spitze (4-5-1) auf – eine Reaktion Toppmöllers auch auf die Niederlagen bei Arsenal und Juventus Turin. Aufgrund des breiteren Kaders verfügt Toppmöller für die kommende Saison über noch mehr Varianten. Wahrscheinlich ist, dass Bernd Schneider häufiger neben Bastürk ins zentrale Mittelfeld rückt.

Wer sind die Stars? Die WM-Teilnehmer. Allen voran „Das Pferd“, wie die Brasilianer ihren Weltmeister Lucio aufgrund seines eigenwilligen Laufstils nennen. Dazu kommen der außerhalb des Spielfeldes so unscheinbare Argentinier Diego Placente sowie der trickreiche Bastürk. Der Türke ist derjenige, der für das Team die meisten Freistöße herausholt. Von den deutschen Spielern Bernd Schneider, Carsten Ramelow, Jörg Butt und Oliver Neuville traut Toppmöller vor allem Schneider eine weitere Leistungsexplosion zu. Der Chef der Mannschaft ist indes der am Knie verletzte Abwehrchef Jens Nowotny, der sich aktuell mit Steuervorwürfen herumplagen muss.

Wie wird der Mangel verwaltet? Welcher Mangel? Gut 25 Millionen Euro, eingespielt durch Transfers und die Champions League, investierte Leverkusen in neue Spieler. Damit ist der Klub neben Bayern München Spitzenreiter. Allerdings droht Leverkusen nun durch die Steueraffäre um Christoph Daum und Jens Nowotny finanziell Ungemach. Nicht ganz zwei Jahre nach der Daum-Affäre findet sich Calmund wieder in einer schweren Situation.

Was gibt das Stadion her? Die Bayarena als vollüberdachtes Fußballstadion erfüllt in technischer und organisatorischer Hinsicht alle Wünsche, manchmal ist es mit einer Kapazität von 22 500 Zuschauern etwas zu klein. Wenn es kalt zu werden droht, strahlen sogar Heizkörper vom Stadiondach auf die Besucher. Die Puristen des Fußball bezeichnen diesen Ort deswegen oft als besseres Wohnzimmer, nicht als Stadion.

Wie sind die Fans? Oft schläfrig, was ein großer Nachteil sein kann. Beispiele dafür gab es in der vergangenen Saison genug, etwa beim Heimspiel gegen Schalke 04, bei dem die Fans in Königsblau im Stadion dominierten. „Das war für uns ein Auswärtsspiel“, schimpfte Toppmöller frustriert nach dem Spiel. Aber selbst der in Leverkusen tatsächlich existierende „Arbeitskreis Stimmung“ konnte nicht verhindern, dass noch im März und April, da die Mannschaft dicht vor der Meisterschaft stand, viele Dauerkartenbesitzer fehlten. So bleibt vorerst das schädliche Image der „Plastikfans". Dass es nicht dabei bleiben muss, zeigte die sensationelle Atmosphäre bei den Spielen gegen Liverpool und Manchester United.Erik Eggers

NAME

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false