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Wie ein Balljunge. Jan Glinker musste in Dresden viermal hinter sich greifen. Foto: dpa

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Sport: Die Männer mit den zwei Gesichtern

Beim Debakel in Dresden scheitert der 1. FC Union am Erfolgsdruck, den die Vereinsführung aufgebaut hat

Es waren nicht viele Worte, die Jan Glinker nach dem Schlusspfiff gegen Dynamo Dresden über die Lippen kamen, aber die waren dafür umso schonungsloser. Die Leistung der eigenen Mannschaft bezeichnete er als „katastrophal, ganz schlecht“ oder schlicht einen „Skandal“. Der Torhüter des 1. FC Union hatte wenige Minuten zuvor vier Gegentore kassiert – seine Reaktion verwunderte also kaum.

Als einziger Spieler war Glinker in Dresden neu in die Mannschaft gekommen, ansonsten schickte Unions Trainer Uwe Neuhaus am vierten Spieltag exakt jene Elf aufs Feld, die in der Vorwoche noch 3:0 gegen Paderborn gewonnen hatte. Genau das macht es so schwer, die Ereignisse von Dresden zu verstehen. Sicher ist nur: Es wäre falsch, die Niederlage an Glinker festzumachen. Der Torhüter bot nach überstandener Oberschenkelverletzung eine fehlerfreie Leistung, an den Gegentoren war er schuldlos. Mit Ausnahme von Christopher Quiring waren es seine Mitspieler, die in Dresden komplett versagten. „Innerhalb einer Woche von hundert Prozent leistungsmäßig auf eine Zahl zu fallen, die im Minusbereich liegt, ist nicht leicht zu erklären“, sagte Neuhaus. Der 51-Jährige rang sichtlich nach Worten, sein Blick war leer. Nach dem Abpfiff hatte es vereinzelt „Neuhaus raus“-Rufe gegeben. Wenn man bedenkt, dass sich Unions Trainer ansonsten bei den meisten Fans großer Beliebtheit erfreut, kann man erahnen, wie sehr die Niederlage die Anhänger schmerzt.

Union hatte in dieser Spielzeit schon einmal 0:4 verloren, gegen den Aufstiegsaspiranten Greuther Fürth war das, aber weil die Mannschaft da teilweise richtig guten Fußball spielte, feierten die Fans im Stadion An der Alten Försterei ihre Mannschaft und ihren Trainer. Dieses Mal war es anders. Der viele Ballbesitz und ein Eckballverhältnis von 10:2 für Union konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass Dresden die bessere Mannschaft war. Gerade Dynamo. Union und Dresden verbindet seit vielen Jahren eine innige Rivalität, und so tat die Niederlage doppelt weh. „Ich habe Verständnis für die Reaktion der Zuschauer“, sagte Neuhaus. Er ist als Trainer für die Aufstellung der Mannschaft verantwortlich, aber wer will es ihm verdenken, dass er genau jener Elf vertraute, die gegen Paderborn so überzeugte.

Exemplarisch für die zwei Gesichter der Berliner stand Christian Stuff. Gegen Paderborn noch Torschütze und gefühlt in jedem Zweikampf Sieger, stand der Innenverteidiger gegen Dresden neben sich. Vor dem 0:3 versuchte er sich am eigenen Strafraum im Dribbling und verlor den Ball prompt. Auch Torsten Mattuschka, vor einer Woche noch in jedem Winkel der Alten Försterei zu finden, wirkte, als wäre er unter der Woche nicht sieben Tage, sondern sieben Jahre gealtert. „Es gibt keine Erklärung, weil wir gut trainiert und im Vorfeld alles dafür gegeben haben, ein gutes Spiel zu machen“, sagte Unions Mittelfeldspieler Michael Parensen.

Das Desaster von Dresden ließ Spieler und Trainer gleichermaßen ratlos zurück. Niemand hatte damit gerechnet. Dabei ist die Auswärtsschwäche des 1. FC Union nicht neu, bereits in der vergangenen Saison holten die Köpenicker eine Vielzahl ihrer Punkte im eigenen Stadion. Neu ist dafür aber die gestiegene Erwartungshaltung bei dem Berliner Zweitligisten. Platz neun hatte Unions Präsident Dirk Zingler vor der Saison als Ziel ausgegeben. Wenn die Berliner so weiterspielen, dürfte bereits der Klassenerhalt ein Grund zum Feiern sein.

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