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Der Norden bebt. Unter Trainer Ljubomir Vranjes sind die Flensburger in dieser Saison national noch unbesiegt.

© Imago/Eibner

Füchse-Gegner SG Flensburg-Handewitt: Die Meister des Höllenhandballs

Im DHB-Pokal müssen die Füchse Berlin bei der SG Flensburg-Handewitt bestehen – beim derzeit überragenden Team Deutschlands.

Die Erinnerungen an den letzten Arbeitsplatz sind noch sehr präsent bei Kresimir Kozina, und zur Not hilft ein Blick aus dem Fenster. „Ich hatte bisher gar keine Zeit, mich um solche Sachen wie die Ummeldung des Autos zu kümmern“, sagt der Kreisläufer der Füchse Berlin und schaut hinaus aus der Trainingshalle des Handball-Bundesligisten in Hohenschönhausen, hinein in den grauen Herbst. Auf dem Kennzeichen seines Kombis steht es schwarz auf weiß: FL – Flensburg. „Eindeutig überführt“, sagt Kozina und ergänzt nach einem lauten Lacher: „Meine Mitspieler haben mich schon damit aufgezogen.“

Beim Handballverein der Stadt, der SG Flensburg-Handewitt, hat der Kroate bis vor ein paar Monaten noch gespielt, am Mittwoch kommt es nun zum Wiedersehen mit den alten Kollegen. So richtig angenehm sind die Aussichten allerdings nicht für die Füchse Berlin, obwohl sie vor dem Achtelfinale des DHB-Pokals (19 Uhr) fleißig die übliche Wettbewerbsrhetorik („eigene Gesetze“, „alles möglich“) im Trainerstab bemüht haben. „Das wird brutal“, sagt Kozina in perfektem Deutsch, als Kind hat er ein paar Jahre im Ruhrgebiet verbracht. „Flensburg ist im Moment eindeutig die stärkste deutsche Handballmannschaft.“

Bislang sind die Norddeutschen so durch die Saison marschiert, wie es vor der Saison von vielen Experten prognostiziert wurde: souverän, energisch und sehr erfolgreich. 10 der 18 Bundesliga-Trainer haben in einer Umfrage die SG zum Meisterschaftsanwärter Nummer eins gewählt, sogar vor dem ewigen Rivalen THW Kiel. Die SG ist der einzige Klub, der in der Bundesliga nach acht Spieltagen noch verlustpunktfrei ist. Und genau genommen hält ihr Lauf schon wesentlich länger an: In der kompletten Rückrunde 2015/16 sind die Flensburger ohne Niederlage in der Bundesliga geblieben. Dass es am Ende nur für den zweiten Tabellenplatz knapp hinter dem neuen Deutschen Meister Rhein-Neckar Löwen reichte, lag fast ausschließlich an ihrem miserablen Saisonstart mit fünf Minuspunkten nach acht Spieltagen.

Kresimir Kozina

© imago/Contrast

„Damals war ich ja noch nicht dabei, ich bin erst im Laufe der Saison zur Mannschaft gestoßen“, erzählt Kozina, „aber wir hatten irgendwann so ein Selbstbewusstsein, das war unglaublich.“ Offenbar hat es Flensburgs Coach Ljubomir Vranjes geschafft, das in die neue Saison zu transportieren. Der kleine Schwede mit serbischen Wurzeln ist schon jetzt, mit gerade einmal 43 Jahren, eine Legende in Flensburg. Unter seiner Verantwortung hat die SG den (mittlerweile abgeschafften) Europapokal der Pokalsieger (2012), die Champions League (2014) und den DHB-Pokal (2015) gewonnen, nur die Meisterschaft fehlt eben noch. Um diese Mission zielführend abschließen zu können, hat Vranjes über Jahre eine Mannschaft entwickelt, die nun offensichtlich im Zenit ihrer Schaffenskraft steht. „Sie haben eine wirklich gute Mischung im Team“, sagt Kozina. Im traditionell nordeuropäisch geprägten Kader des Klubs stehen stehen alte Schlachtrösser wie Keeper Mattias Andersson (38), Abwehrchef Tobias Karlsson (35) oder Rückraum-Shooter Holger Glandorf (33), aber auch hochbegabte junge Kerle wie etwa der Isländer Jim Gottfridsson, der Franzose Kentin Mahé und der Däne Rasmus Lauge.

Als wäre es nicht schon hart genug, diese Luxus-Auswahl zu besiegen, verfügen die Flensburger zudem über einen weiteren großen Vorteil bei Heimspielen: die Atmosphäre in ihrer Halle, die den inoffiziellen Beinamen „Hölle Nord“ trägt – auch dank der berüchtigten Stehplatztribüne. „Da stehen richtig Verrückte, die einzigen Fußballfans, die es im deutschen Handball gibt“, sagt Kozina – und seine Einschätzung steht außer Frage. Kozina ist schließlich im Großraum Dortmund aufgewachsen.

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