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Bayerntrikot als Winkelement. Dortmunds Torschütze Lucas Barrios benutzt das Hemd, das einst eine Trophäe war, um seiner Freude Ausdruck zu verleihen. Foto: dapd

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Sport: Die Qual des Lobes

Hilflos reagiert der FC Bayern darauf, dass ihn Borussia Dortmund als bestes deutsches Team abgelöst hat

Bei Jürgen Klopp klang das Kompliment so: „Der Sieg ist für uns dadurch noch schöner, dass auch die Bayern so stark waren heute, dass sie ein richtig gutes Spiel gemacht haben.“ Bei Karl-Heinz Rummenigge klang das Kompliment so: „Die Dortmunder sind sicherlich korrekterweise Tabellenführer.“ Es geht nun nicht darum, rhetorische Talente gegeneinander auszuspielen. Dortmunds Trainer Klopp versteht es ja, so charmant zu parlieren wie kein anderer in der Bundesliga, FC-Bayern-Vorstandschef Rummenigge hingegen fehlt die Gabe, Warmherzigkeit zu verströmen. Es geht auch gar nicht um diese beiden Personen. Man könnte auch andere Zitate heranziehen, um zu zeigen, wie unterschiedlich entscheidende Figuren beider Vereine mit Sieg und Niederlage umgehen. Und wie viel Sieger und Besiegte in solchen Momenten und Phasen – oft unbewusst – über ihr Weltbild und auch über ihre Persönlichkeit verraten.

Diese Bundesligasaison bezieht einen Teil ihres beträchtlichen Reizes aus dem Duell der angehenden Meisterkicker aus Dortmund gegen die Münchner Hinterherhechler. Das herbeigesehnte „Imagespiel“ (Rummenigge) am Samstag endete 1:3 (1:2) aus Sicht des Gastgebers FC Bayern. Bei nun 16 Punkten Rückstand und zehn ausstehenden Spielen ist die Titelverteidigung endgültig passé, der Gewinn der Schale für die Dortmunder höchst wahrscheinlich – auch wenn sie, mit zunehmender Mühe allerdings, das Thema kunstvoll umschiffen. Dieser Abend zeigte auch, dass Borussia Dortmund den Titel nicht nur für seine Fußballkunst verdient hat, sondern auch für das Bild, das der Verein abgibt. Beim FC Bayern ist das anders.

Vor gut einem Monat sagte Uli Hoeneß in einem Interview: „Wenn ich unsere Mannschaft sehe, bin ich hundert Prozent sicher, dass wir die in ein paar Wochen in München schlagen. Im Eins-gegen-Eins hatte Dortmund doch nie die bessere Mannschaft. Die bessere haben wir, mit Abstand!“ Auch in den Tagen vor dem Spiel hatten Hoeneß und Rummenigge einen klaren Sieg geweissagt. Als dieses Brustgetrommele auf die jugendliche Gelassenheit der Dortmunder (Durchschnittsalter der Startelf: 22,2 Jahre) traf, gerannen die Worte zu Peinlichkeiten. „Spiele werden nicht durch das Gerede vorher gewonnen. Wir haben das intern nie groß thematisiert“, sagte Dortmunds Mats Hummels. Rummenigge erklärte schmallippig: „Wir wollten unsere Mannschaft pushen.“ Uli Hoeneß hat nichts mehr gesagt. Das ist zwar die Regel, seit er nicht mehr Manager, sondern Präsident ist. Doch dieser Tag wäre eine gute Gelegenheit für eine Ausnahme gewesen: um Größe zu zeigen.

Die Hilflosigkeit der Bayern illustrierte der bizarre Auftritt des Louis van Gaal. Auch er brachte nur unter Qualen lobende Worte über den Gegner hervor („verdient gewonnen“), wies aber im selben Atemzug darauf hin, man habe ja ein schweres Champions-League-Spiel bei Inter Mailand gehabt. Und er monierte, Dortmund habe in der zweiten Halbzeit „nur noch den Vorsprung verteidigt. Dann wird es schwierig für jede Mannschaft.“ Unterschwellig warf er den Gästen also vor, sie hätten agiert wie ein x-beliebiger Abstiegskandidat. Was für eine groteske Schutzbehauptung. Aber damit war die Analyse des sonst so allwissenden Trainers nicht fertig. „Dortmund hat kein Übergewicht gehabt“, behauptete van Gaal. „Im Mittelfeld haben wir individuelle Fehler gemacht. Das ist etwas anderes.“ Immerhin gestand er zu, dass der Gegner „ein sehr gutes Pressing gemacht hat“.

Der Tag, an dem irgendein Chef der Bayern mal auf den Tisch haut und sagt „Wahnsinn, es ist einfach toll, diese Dortmunder Fußball spielen zu sehen“, wird wohl noch auf sich warten lassen.

Die Dortmunder waren erstaunt, wie leicht ihnen dieser Sieg von den Füßen ging – ihre Tore erzielten Lucas Barrios, Nuri Sahin und Hummels, zum zwischenzeitlichen Ausgleich hatte Luiz Gustavo getroffen. Eigentlich, sagte Trainer Jürgen Klopp, „kommt uns die breite Spielanlage der Bayern nicht gerade entgegen“. Doch Innenverteidiger Neven Subotic beobachtete, dass „die Bayern nie ihr Spiel geändert haben. Die haben immer von links nach rechts und von rechts nach links gespielt. Darauf hatten wir uns im Training vorbereitet. Unser Plan hat 94 Minuten lang funktioniert.“ Mit läuferischer Ausdauer und Teamgeist nahmen sie die Flügelspieler Franck Ribéry und Arjen Robben aus dem Spiel. Die Zahl der stets gefährlichen Torschüsse von Robben betrug an diesem Tag: null. Plan A war damit obsolet, Plan B gab es nicht. Alle künftigen Bayern-Gegner werden dieses Spiel begierig studieren.

Doch nicht alle werden Erfolg haben. „Man muss sich keine Sorgen um Bayern machen, weil sie heute verloren haben. Die werden noch Spiele gewinnen, und zwar mehr, als wir uns vorstellen können“, sagt Jürgen Klopp. Und auch wenn es dem einen oder anderen Bayernfan anders vorkommen mag: Es lag kein Hauch von Ironie oder Häme in diesen Worten, sondern Respekt.

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