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Sport: „Die rote Lampe brennt“

Fifa-Chef Joseph Blatter über Baumängel und Zuschauergewalt in deutschen WM-Stadien

Herr Blatter, am Wochenende konnte im WM-Stadion Kaiserslautern wegen Baumängeln nicht gespielt werden. Ist Deutschland tatsächlich reif für die Fußball-Weltmeisterschaft?

Natürlich wird die WM stattfinden. Wenn ich den Organisatoren in Deutschland eine Note für die bisherigen Vorbereitungen geben müsste, würde ich eine Zwei plus verteilen. Aber es gab am Wochenende in der Tat einige Fingerzeige, die uns sagen: Halt, bei unseren Kontrollen müssen wir dringend handeln.

Kaiserslautern ist kein Einzelfall. In Frankfurt am Main hält das Dach nicht, in Nürnberg gibt es Zweifel an der Statik der Tribünen.

Klar ist: Beim deutschen Organisationskomitee brennt jetzt die rote Lampe. Die zwölf WM-Städte waren schließlich ein Vorschlag der Deutschen, nicht der Fifa. Nun müssen sie sich auch darum kümmern. Wir werden Anfang nächsten Jahres noch einmal alle Stadien kontrollieren. Innerhalb eines bestimmten Zeitraums, den wir noch festlegen werden, müssen dann alle Probleme behoben sein.

Die rote Lampe brennt nicht nur beim deutschen WM-Organisationskomitee. Vor einem Monat hat es eine Hausdurchsuchung bei der Fifa im Zusammenhang mit der Pleite des WM-Vermarkters ISL im Jahre 2001 gegeben. Wie gehen Sie mit diesem Vorgang um?

Wir haben Beschwerde eingelegt, weil wir die Aktion unverhältnismäßig finden. Da das Verfahren noch läuft, äußere ich mich zu diesem Thema nicht.

Wie bei jeder WM gibt es wieder Streit um den Kartenverkauf. Verbraucherschützer und Kunden beklagen mangelnde Transparenz. Zu Recht?

Die Sicherheit muss groß geschrieben werden, aber das darf nicht dazu führen, dass die Kontrollen vor den Stadien vier Stunden dauern. Wenn jeder Besucher am Eingang seinen Ausweis zeigen muss, dann wird es kompliziert. Die optimale Lösung muss noch gefunden werden.

Wie wollen Sie bei der WM verhindern, dass Gegenstände auf den Rasen fliegen, wie am Wochenende in Hamburg geschehen?

Wir werden das deutsche Organisationskomitee von Franz Beckenbauer dazu ins Gebet nehmen. Vertrauen ist gut, aber die Sicherheitskontrollen müssen besser werden. In der Schweizer Fußball-Liga wird jeder Zuschauer am Eingang gefilzt. Das sind zwar meist nur 4000 bis 6000 Zuschauer pro Spiel, aber auch in Deutschland müssen die Kontrollen so intensiv werden wie bei Länderspielen. Hier stehen der Deutsche Fußball-Bund und die Bundesliga in der Verantwortung.

Bei der WM wird es keine Stehplätze geben – auch wegen der Angst vor Gewalt?

Sitzende Zuschauer sind ruhiger. Auf den Stehplätzen sind die Menschen ständig in Bewegung, sie müssen ja sogar um ihren Platz kämpfen. Wir wollen einen Fußball, bei dem der Vater mit seinen Kindern ins Stadion geht und am Ende die Kinder wieder heil nach Hause bringt. Mit Kindern können Sie sich doch auf keine Stehplatztribüne stellen.

In Großbritannien gibt es seit 1989 bei den Ligaspielen keine Stehplätze mehr.

Das ist eine gute erzieherische Maßnahme. Ich habe noch nicht gesehen, dass die Zuschauer in der Premier League etwas auf den Rasen werfen oder die Spieler angreifen. Man berührt die Spieler nicht, auch wenn sie ganz nahe sind - das haben die englischen Fans verinnerlicht.

Auch bei WM-Qualifikationsspielen gab es Gewalt, vor allem im Spiel der Schweiz in der Türkei. Wie reagiert die Fifa darauf?

Wir werden in Leipzig noch einmal über den Qualifikationsmodus nachdenken. Es ist schon hart, wenn es ein Elfmeterschütze auf dem Fuß hat, ob sein Landesverband sieben Millionen Schweizer Franken an garantierter Einnahme durch die WM-Qualifikation bekommt oder nicht. Über die konkreten Sanktionen für die Zwischenfälle in Istanbul beraten wir noch.

Sie haben vorgeschlagen, vor den Spielen nicht mehr die Nationalhymnen abzuspielen, um die Gemüter zu beruhigen.

Ich habe nur die Frage gestellt, ob man etwas ändern muss. Ich möchte gerne die Hymnen beibehalten, weil sie Identität stiften. Aber wir müssen die Zuschauer dazu erziehen, Respekt vor der anderen Nation zu zeigen. Bei einer Gedenkminute schaffen es die Fans doch auch, sich ruhig zu verhalten.

Hat die Fifa denn überhaupt Möglichkeiten der Sanktion?

Wir bewerten jetzt schon das Verhalten von Zuschauern und Spielern in Fragen der Diskriminierung und des Rassismus, dabei werden wir künftig das Verhalten bei der Hymne einbeziehen. Der Fußball ist ein Spiegelbild der Gesellschaft, und hier wie dort geht es nicht immer fair und gut zu. Menschen sind auch böse und gewalttätig. Wir müssen sie daran hindern. Das geht nur mit einem Strafenkatalog, über den wir noch beraten werden. Bei der WM wollen wir in dieser Beziehung durchgreifen. Mit schönen Worten allein kommt man da nicht weiter.

Sie wollen die Fans erziehen?

Ja. Ich finde, wir sollten mehr Respekt für unsere Mitmenschen zeigen, auch für unsere Umwelt. Deshalb wünsche ich mir übrigens eine rauchfreie Weltmeisterschaft. Ich genehmige mir gerne einmal eine Zigarre, aber ich finde, Rauchen gehört nicht ins Stadion. Durchsetzen kann das aber nur die Regierung, wir können da nur Empfehlungen abgeben.

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