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Sport: Die Rückkehr der müden Helden des Hertha BSC

Es hätte alles so schön sein können. Walter Müller, der smarte Mercedes-Manager, wollte hoch überm Mittelmeer zu Lob und Dank an die Mannschaft anheben, die gerade den Sprung in die Beletage des europäischen Fußballs geschafft hatte.

Es hätte alles so schön sein können. Walter Müller, der smarte Mercedes-Manager, wollte hoch überm Mittelmeer zu Lob und Dank an die Mannschaft anheben, die gerade den Sprung in die Beletage des europäischen Fußballs geschafft hatte. Doch von Minute zu Minute wurde die Miene des Hertha-Präsidenten versteinerter. Das Nachtmahl, das zu fast mitternächtlicher Stunde in der Chartermaschine der Corsair hätte kredenzt werden sollen, war offenbar ungenießbar. Die Mannschaft stieg wieder aus und wartete auf dem Rollfeld von Larnaka auf einen anderen Flug. Minute um Minute verrann. Des Wartens überdrüssig, kehrten die Kicker an Bord zurück. Und mussten dort weiter warten. Auf das neu georderte Essen nämlich. Eine geschlagene Stunde war verstrichen, als es endlich in die Maschine gehievt war. Erst um 2.47 Uhr hatte Berlin seine Fußball-Helden wieder. Müde Helden. Es mag für sie ein Trost gewesen sein, dass auf dem Flughafen Schönefeld die treuesten der treuen Fans noch ausgeharrt hatten. Die Spruchbänder und Sprechchöre waren Balsam.

Walter Müller kam später im Flugzeug doch noch zu seiner Ansprache. Von einem großen Tag im Leben der alten Dame war die Rede, von einem denkwürdigen Fußballabend. Alle vernahmen es nicht, denn das Bordmikrofon war unglücklicherweise auch noch ausgefallen. Zu allem Überfluss versiegte auch noch das Bier. Das sollte demnächst reichlicher fließen. Erdinger Weißbier ist gerade eine Partnerschaft mit Berlins Bundesligisten eingegangen.

Es lag nicht nur am unliebsamen Zwischenspiel auf Larnakas Flughafen, am versiegenden Bier und dem ausgefallenen Mikrofon, dass sich die Freude in Grenzen hielt. Man könne doch nicht, so Manager Dieter Hoeneß vor dem nächtlichen Abflug nach Monte Carlo, jetzt groß feiern und darüber den Bundesliga-Alltag vergessen. Der kommt morgen mit dem Heimspiel gegen Werder Bremen. Über das große Gewinnspiel in der Champions League wollen die Herthaner nicht die Pflicht vernachlässigen. Bei einem Fußballbesessenen wie Jürgen Röber ist diese Gefahr ohnehin gering. Röber ist bei allem überbordenden Temperament während des Spiels nicht der Typ, der seine Freude überschäumen läßt. Auch die Spieler verbreiteten nur gedämpfte Freude. "Die sind platt. Bei diesem Klima kein Wunder", so Hoeneß. Vielleicht war es auch das Bewußtsein, die Pflicht mit viel Mittelmaß erfüllt zu haben. Oder auch die Gewißheit, weit mehr als gegen die eifrigen, technisch versierten, aber eben doch viel Biederkeit verströmenden Zyprer bieten zu müssen, um in der Königsklasse nicht zum Bettelmann degradiert zu werden.

Einem Journalisten, der auf das niedrige Niveau des Spiels und das der Herthaner im speziellen anspielte, fuhr Röber unwirsch in die Parade. Im Moment des Glücks vernimmt man eben nicht gern Kritik. Des Trainers Argument, seine Spieler hätten vor allem Angst vor einem Gegentor gehabt und deshalb in der Offensive so wenig geboten, war nachzuvollziehen. Allerdings ist Röber auch daran zu messen, dass er vorher angekündigt hatte, mit zwei Sturmspitzen und einem offensiven Dariusz Wosz für viel Druck nach vorn sorgen zu wollen. An Wosz hat Röber derzeit ohnehin wenig Freude.

Wenig Freude hatten die Famagusta-Fans am belgischen Schiedsrichter Eric Romain. Deutsche Journalisten wurden bissig gefragt, ob der nicht ein Türke sei. Was bei der bekannten Feindschaft zwischen Griechen und Türken genug sagt. Dass Kostas Konstantinidis den Unparteiischen als "Heimschiedsrichter" bezeichnete, verblüffte dann doch. Das war er bestimmt nicht. Nicht von ungefähr hatte Monsieur Romain bange Minuten zu überstehen, als er nach dem Schlusspfiff mit seinen Assistenten äußerst schnellen Schrittes in die Kabine ging. Vielleicht waren den heißblütigen Fans da auch schon die Wurfgeschosse ausgegangen. Die übersäten den reichlich ramponierten Rasen nach Hendrik Herzogs harter, aber keineswegs übertriebener Attacke gegen Okkas. Dass der den sterbenden Schwan mimte, ließ die Stimmung noch hitziger werden. Aber die Gemüter kühlten sich wieder ab.

Klaus Rocca

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