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Auf dem Papier sieht der Kader gut aus. Doch in der Realität mangelt es der deutschen Nationalmannschaft noch an Stärke.

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Joachim Löws Problemkader: Die Spieler in der Einzelkritik

Nach dem enttäuschenden 1:0 gegen Chile im WM-Testspiel wird klar: die Deutsche Elf ist noch längst nicht bereit für den Titel. Dabei hat Joachim Löw auf dem Papier einen der besten Kader der Welt. Die Spieler in der Einzelkritik.

Als Mesut Özil eine Minute vor dem Ende den Platz verließ, vermeldeten die Datenermittler einen neuen Rekord. Nie zuvor seit Erfindung der Trackingsysteme hatte ein Spieler im Laufe einer Begegnung eine weitere Strecke zurückgelegt als Özil: von ganz oben nach ganz unten in nicht mal 90 Minuten. Vor dem Anpfiff war er als Nationalspieler des Jahres 2013 geehrt worden; bei seiner Auswechslung kurz vor Schluss begleiteten ihn die ehrlich gemeinten Pfiffe des Publikums. In seiner aktuellen Verfassung dürfte es Özil schwer haben, den Titel als Nationalspieler des Jahres 2014 zum vierten Mal hintereinander zu gewinnen.

Mesut Özil wird für Bundestrainer Joachim Löw zum Sorgenkind

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Als Joachim Löw den Auftritt Özils bewerten sollte, bemühte der Bundestrainer trotzdem ganz selbstverständlich den Indikativ. „Mesut Özil ist ein überragender Spieler“, sagte er. Ähnlich äußerte er sich zu Lukas Podolski („Ich weiß, was ich an ihm habe“) und Bastian Schweinsteiger („Ich bin mir sicher, dass wir bei der WM einen sehr guten Schweinsteiger sehen“). In Wirklichkeit aber ist Löws Kader derzeit ein Kader im Konjunktiv. Potenziell enthält er viel Qualität, drei Monate vor Beginn der Weltmeisterschaft aber muss sich das Land noch mit ihrer Andeutung begnügen. Viele Spieler sind oder waren verletzt, andere suchen ihre Form.

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Löw sieht sich schon seit längerem mit der Vorstellung konfrontiert, dass er über eine Fülle an Talenten verfüge, die im Weltfußball ihresgleichen suche. Die Realität sieht anders aus – zumindest auf bestimmten Positionen. Für das Länderspiel gegen Chile berief Löw vier Neulinge in seinen Kader, von denen wohl keiner ernsthaft für eine WM-Teilnahme infrage kommt. Pierre-Michel Lasogga fehlte verletzt, von den anderen dreien fand sich keiner in der Startelf. Nur Matthias Ginter wurde später noch eingewechselt. Eine Minute vor dem Ende. Der Freiburger, der als eines der größten deutschen Defensivtalente gilt, bekam einmal den Ball – und spielte ihn ins Seitenaus.

Löw ist bisher nicht als großer Kevin-Großkreutz-Fan aufgefallen

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Halber Neuer in der Viererkette

Im Vergleich dazu fiel Kevin Großkreutz rechts in der Viererkette fast schon positiv auf. Der Dortmunder war zumindest ein halber Neuer und erledigte seinen Auftrag weitgehend solide, ohne wirklich zu glänzen. Löw ist bisher nicht als Großkreutz-Jünger aufgefallen, drei Jahre lang hatte er ihn nicht nominiert. Und obwohl der Dortmunder im Verein gar nicht mehr als Rechtsverteidiger spielt, besitzt er realistische Chancen, Aufnahme in den WM-Kader zu finden. Der bisherige Rechtsverteidiger Philipp Lahm könnte sich tatsächlich im defensiven Mittelfeld festspielen, wo Löw derzeit die größten personellen Probleme plagen. Sami Khedira und Ilkay Gündogan ringen nach Verletzungen um Anschluss; Bastian Schweinsteiger hat ihn zwar wiedergefunden, er wirkte im direkten Duell mit den wuseligen Chilenen aber erschreckend schwerfällig.

Linke Abwehr schwierig zu besetzen

Traditionell schwierig ist für den Bundestrainer die Besetzung der Position links in der Abwehr. Der Hamburger Marcell Jansen erlitt in Stuttgart einen Außenbandriss im Sprunggelenk und wird länger ausfallen. Seinen Vertreter Marcel Schmelzer machten die Chilenen schnell als Schwachstelle aus. Das Duell um den Platz des linken Außenverteidigers ist so etwas wie ein totes Rennen.

Und auch im Sturm besteht Ansatz zur Sorge. Miroslav Klose spielte gegen Chile wie ein 36-Jähriger – und nicht wie einer, der erst eine Woche vor der WM 36 wird. Wahrscheinlich würde Joachim Löw trotzdem sagen, er wisse, was er an Klose habe. Vor allem weiß er, dass er im Moment keinen anderen hat.

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