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Sport: Die Tour muss weitergehen

Beim Prolog suchen Fans und Verantwortliche nach einer besseren Zukunft

Michael Klein hat in den letzten 24 Stunden eine schwere Krise durchgemacht. Der Unternehmensberater aus München ist leidenschaftlicher Hobbyradfahrer, eingefleischter Tour-de-France-Fan und hatte sich schon seit Monaten auf die Reise zum Prolog nach Straßburg gefreut. „Als das gestern passiert ist, wollte ich am liebsten zu Hause bleiben“, sagte er zum Rausschmiss der beiden Tour-Topfavoriten Ullrich und Basso und sieben weiterer Fahrer, während er am Samstagmittag am Boulevard Ohmacht in der Straßburger Innenstadt auf die ersten Starter wartete. Nachdem er eine Nacht darüber geschlafen habe, freue er sich nun jedoch wieder auf das Rennen.

Jetzt konzentriere er sich eben auf andere Fahrer als auf Ullrich, tröstete sich Michael Klein, vielleicht auf Andreas Klöden, ganz bestimmt auf Erik Zabel bei den Sprints, und der Gerolsteiner-Kapitän Levi Leipheimer solle ja auch gut in Form sein. Auf jeden Fall werde es bestimmt ein spannendes Rennen werden. Mehr noch als zuvor, schießt es Klein durch den Kopf, und der Gedanke versöhnt ihn mit seinem Lieblingssport.

Die Tour ist nach dem Rausschmiss der großen Stars und den Dopingenthüllungen vom Freitag eine andere, und in Straßburg versuchte man sich allenthalben neu zu orientieren. Fans, Sponsoren, Fahrer und Medien beschäftigten zum Tour-Start die Auswirkungen auf die Zukunft der Tour de France insgesamt sowie auf die Zukunft des Radsports. Und Tour-Direktor Christian Prudhomme bestand darauf, dass der Freitag kein schwarzer Tag für die Tour war. Im Gegenteil.

Der Sport, so Prudhomme zur Sportzeitung L’Equipe, habe durch sein entschlossenes Handeln ein starkes Zeichen gesetzt. Er habe dadurch an Glaubwürdigkeit gewonnen und sportlich werde die Tour nun um so schöner, weil sie völlig offen sei. Im Fahrerlager war die Stimmung dagegen noch gedrückt. „Unsere Leute sind stinksauer“, erzählte der Sprecher des Gerolsteiner-Teams, Matthias Wieland. „Zum einen sind sie sauer auf diejenigen, die mutmaßlich gedopt haben, weil sie sich von denen betrogen fühlen. Zum anderen sind sie sauer, weil es jetzt wieder überall heißt, der ganze Radsport ist versaut. Sie haben keine Lust,die Kollektivschuld auf sich zu nehmen.“

Damit, dass sein ohnehin schon nicht allzu glänzendes Image erneut massiv beschädigt wurde, wird der Radsport allerdings leben müssen. Die Sponsoren halten zwar bislang still – bei T-Mobile etwa geht man davon aus, dass der Vertrag mit dem Team bis 2008 unverändert weiterläuft. Sportvermarkter sind sich allerdings einig, dass man in den Marketingabteilungen der Unternehmen ernsthaft das Engagement überdenken wird. Markus Glöckner, der mit seiner Münchner Agentur im Fußball und in der Formel 1 arbeitet, sagt: „Für Firmen, die das Sponsoring nicht nur aus Liebhaberei, sondern mit ernstem Marketinginteresse betreiben, ist ein positives Image ganz wichtig. Da wird man sich das genau überlegen. Außerdem braucht man Stars.“ Solche wie Jan Ullrich. Doch ihm und allen anderen verdächtigten Radprofis drohen im Fall nachgewiesener Schuld vierjährige Wettkampfsperren. Dies erklärte der Präsident der Internationalen Radsport-Union (UCI), Pat McQuaid. Darüber hinaus braucht der Sport die Medien, vor allem die elektronischen. Und die sind seit Freitag ebenso verunsichert wie alle anderen, die mit der Tour und dem Radsport zu tun haben. „Die Tour-Organisation hat wirklich alles getan, um ihr Image zu schützen“, sagte Peter Kaadtmann, Chef de Mission des ZDF bei der Tour. „Das wollen wir unterstützen und nicht gleich weglaufen.“

Andererseits gab er zu, dass man bei den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten nach den Ereignissen den Umfang der Übertragungen in den kommenden Wochen durchaus überdenke. Ob und wie viel Tour zu sehen sein wird, hängt von den Quoten der nächsten Tage ab. Und davon, ob die Werbekunden weiter mit diesem Sport assoziiert werden wollen. Auch von dieser Seite, signalisierte Kaadtmann, gebe es starke Bedenken.

Für die Franzosen waren der Ausschluss der Stars und die Botschaften aus Spanien weniger beunruhigend. Zum einen wurde nicht bekannt, dass ein französischer Fahrer Kontakte zu dem Dopingring nach Madrid hatte. Zum anderen sind die Chancen der französischen Fahrer, die seit 1985 die Tour nicht mehr gewonnen haben, nach der Abreise von Ullrich und Basso deutlich gestiegen. „Vielleicht schafft es ja Thomas Voeckler“, hoffte am Samstag ein elsässischer Fan unweit der Startrampe. Sein Landsmann Voeckler hatte vor zwei Jahren überraschend 13 Tage lang das Gelbe Trikot getragen. Möglich wäre bei dieser Tour ohne Favoriten gewiss auch das. Seite 3

Sebastian Moll[Straßburg]

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