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Und raus bist du.

© dpa

Sport: Die Wechseltage

Es hieß, Deutschland habe schon zu Turnierbeginn seine Idealformation gefunden. Wenn dem so war, dann ist das Team seine Stammelf jetzt wieder los

Wie sehr der Fußball von Weisheiten lebt, zeigt sich im Allgemeinen („Nach dem Spiel ist vor dem Spiel“) genauso wie im Speziellen: Eine Stammelf findet sich erst im Verlaufe eines Turniers. Noch nie ist ein Team so aus einem Turnier rausgekommen, wie es reingegangen ist.

Auch nach Südafrika ist die deutsche Mannschaft mit zwei Vakanzen gereist. Würde der Bundestrainer den jungen Holger Badstuber auf die Position des linken Verteidigers stellen und den wankelmütigen Klose ins Sturmzentrum schieben? Joachim Löw tat beides, was ein gewisses Risiko barg. Die Kommentare nach dem Auftaktsieg fielen umso hymnischer aus. Es hieß, Deutschland habe bereits zu Turnierbeginn seine Idealformation gefunden. Wenn dem so war, dann ist Löw seine Stammelf nach nur einem weiteren Spiel wieder los.

Die Stammelf-Werdung unterliegt für gewöhnlich Verletzungen oder Sperren. So wird Miroslav Klose das finale Gruppenspiel am Mittwoch gegen Ghana nach seinem Platzverweis im Sitzen verfolgen. Ohne ihn muss das deutsche Team gewinnen, wenn es sicher ins Achtelfinale kommen will. „Das ist eine besondere Aufgabe, an der die Mannschaft wachsen kann“ sagt Teammanager Oliver Bierhoff. Die Frage ist: Welche Mannschaft?

Wenn der Bundestrainer wegen Klose schon einmal dabei ist, könnte er auf die Idee kommen, auf einer weiteren Position nachzubessern. Denn, und das ist ein weitere Weisheit, auch eine offensichtliche Überforderung hat schon Konsequenzen nach sich gezogen.

Da, wo Holger Badstuber gegen die Australier nicht viel mehr zu tun hatte als der benachbarte Linienrichter, fädelten die Serben ihre gefährlichen Aktionen ein. Über seine Abwehrseite entstand auch das entscheidende Gegentor, als Milos Krasic den Münchner zum wiederholten Male überlaufen konnte. So schnell wie Badstuber ins Team gekommen ist, könnte er auch wieder verschwinden.

Löw hat Übung darin. Schon bei seinem ersten Turnier, das er als Cheftrainer verantwortete, der EM 2008, kam es im zweiten Vorrundenspiel gegen Kroatien (1:2) auf Grund von Überforderungen auf der linken Abwehrseite zu einer Veränderung. Doch Löw hatte nicht bis nach dem Spiel abgewartet, sondern Marcell Jansen noch in der Halbzeit erlöst. Philipp Lahm wechselte daraufhin die Seiten. Der Ausgang ist bekannt. Deutschland erreichte das Finale, mit Lahm links hinten, und Jansen auf der Reservebank. Ein ähnliches Schicksal könnte nun auch dem 21 Jahre alten Badstuber drohen.

„Wir sind gezwungen, eine Veränderung vorzunehmen“, sagt Löw, will dies aber allein auf Klose bezogen wissen. Normalerweise müsste seine Wahl auf Cacau zulaufen, der in guter Form ist und gegen Bosnien und Australien auf Anhieb getroffen hatte. Andererseits ist der Stuttgarter nicht der Typ Stürmer, den Klose verkörpert. Während dieser als kopfballgefährlicher Keilstürmer fungiert, hat Cacau seine Stärken im Kombinationsspiel. Wird es darauf gegen Ghana ankommen? Löw sagt, dass man noch zwei, drei Tage Zeit habe. In dieser Zeit „entwickelt man als Trainer ein Gefühl dafür“.

Vom Gefühl her wird der Bundestrainer auch über Badstuber nachzudenken haben. Doch auf dieser Position liegen die Dinge nicht ganz einfach. Auch deswegen war Löws Entscheidung pro Badstuber vor Turnierstart von vielen als genialer Schachzug gefeiert worden. Der Bursche habe die Klasse und trotz seiner geringen Erfahrung schon die nötige Ruhe. Ja, für ein Spiel wie gegen Australien, aber auch für die Tortur eines Turniers?

Man müsse mit ihm vorsichtig umgehen, sagt Löw. So viele Talente habe man für diesen Posten nicht. „Badstuber wird eine hervorragende Entwicklung nehmen.“ Was Löw nicht sagt, ob das noch bei der WM passieren wird.

Er ist von Badstuber überzeugt. Wer eine Saison lang beim Meister durchspielt und im Champions-League-Finale steht, der wird bei einer WM bestehen. So der Plan. Zudem habe Badstuber den Bayern-Block aus Lahm, Schweinsteiger, Müller und Klose vervollständigt. Doch Badstuber hat gegen Serbien nie den rechten Weg gefunden. Als Alternative zu ihm kommt Dennis Aogo infrage. Vielleicht auch Jerome Boateng, der beim Hamburger SV schon auf der linken Verteidigerposition ausgeholfen hat. Blieben noch Lahm und – Marcell Jansen. Bei Lahm hatte der Bundestrainer im Vorfeld lange überlegt, sich dann aber dafür entschieden, den Kapitän auf rechts und somit dort einzusetzen, wo der 26-Jährige beim FC Bayern spielt. Diese Entscheidung werde Bestand für den gesamten Turnierverlauf haben, hatte Löw gesagt.

Und Jansen? Der Hamburger war lange verletzt und ist nur unter Vorbehalt in den WM-Kader gerückt. Holger Badstuber habe „sicherlich nicht seinen besten Tag gehabt“, sagt Löw und guckt dabei völlig unaufgeregt. Am Ende darf es wohl nicht überraschen, wenn die Alternative zu Badstuber Badstuber selber ist. Auch diese Weisheit hält der Fußball parat.

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