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Sport: Die WM der Holländer

Van Basten, Hiddink, Advocaat, Beenhakker: Vier Trainer aus den Niederlanden sind mit ihren Teams dabei

Berlin - Guus Hiddink brauchte einige Minuten, bis ihm die Folgen seines Tuns vollends bewusst wurden. Mit dem Urlaub würde es auch im nächsten Sommer wieder nichts werden. „Verdammt“, hat Hiddink, an diesem 16. November 2005 gedacht, „das wird wieder ein schöner Sommer.“ Der Trainer des PSV Eindhoven wird dann einer genehmigten Nebentätigkeit nachgehen und bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland die Nationalmannschaft Australiens betreuen.

Zum entscheidenden Qualifikationsspiel gegen Uruguay hatten die Zeitungen aus Holland eigens Reporter ins ferne Sydney geschickt, im niederländischen Fernsehen wurde die Begegnung live übertragen. Für Hiddink war es nichts Neues, im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses zu stehen. Als er Südkorea 2002 ins Halbfinale der WM führte, konzentrierten sich die Sehnsüchte seiner Landsleute sogar ausschließlich auf ihn: Damals war Hiddink allerdings auch der einzige Holländer bei der WM.

In diesem Sommer hingegen könnte Orange in Deutschland zur Modefarbe werden. Neben Holland mit Bondscoach Marco van Basten werden drei weitere niederländische Trainer an der WM teilnehmen: Hiddink mit Australien, Dick Advocaat mit Südkorea und Leo Beenhakker mit Trinidad & Tobago. „Da sind wir sehr stolz drauf“, sagt Jan Reker, Chef der holländischen Trainervereinigung. „Für die Niederlande ist das einmalig.“ Andererseits ist die Herkunft der Nationaltrainer auch immer ein Indikator für die aktuellen Moden im Weltfußball. Bei der WM 1998 stellten Frankreich und Brasilien je vier Nationaltrainer. Am Ende standen beide Länder im Finale.

Die vier holländischen WM-Trainer sind nur die Spitze einer breiten Emigrationswelle. 93 niederländische Trainer arbeiten zurzeit im Ausland, vom Chefcoach des FC Barcelona bis zum Assistenten des VfL Wolfsburg, vom Nationaltrainer Arubas bis zum Leiter der Nachwuchsausbildung bei Fenerbahce Istanbul. „Holländer passen sich schnell an eine neue Kultur an, sie haben kein Problem mit fremden Sprachen, sind abenteuerlustig und erfinderisch“, sagt Jan Reker.

Doch daran allein kann es nicht liegen. „Niemand verpflichtet einen holländischen Trainer, nur weil er viele Sprachen spricht“, sagt Hans Meyer vom 1. FC Nürnberg, der drei Jahre lang den niederländischen Ehrendivisionär Twente Enschede trainiert hat. Entscheidend ist, dass sie in der Regel fachlich exzellent ausgebildet sind. Die holländische Trainerausbildung gilt als eine der besten der Welt, vor allem fußballfachlich und -taktisch. „Im Mittelpunkt stehen der Fußballspieler und der Ball“, sagt Meyer. „Das haben die Holländer von kleinauf drin.“

Reker glaubt, dass die Niederlande als kleine Fußballnation schon immer dazu gezwungen waren, innovativer zu sein, um mit den Großen mitzuhalten. „In der Spitze gelingt uns das auch, weil wir immer einen Schritt vorausdenken“, sagt der Chef der Trainervereinigung. Den guten Ruf im Ausland haben Hollands Trainer aber auch einigen Koryphäen ihres Fachs zu verdanken. „Früher war es Johan Cruyff, inzwischen ist es Guus Hiddink“, sagt Reker. Nachdem Hiddink die WM- Qualifikation geschafft hatte, wurde er von den australischen Medien zum „Saint Guus“ erhoben, und bei der Pressekonferenz nach dem Spiel klatschten ihm die australischen Journalisten Beifall, was selbst Hiddink sehr befremdlich fand.

Dabei ist ihm der Personenkult aus seiner Zeit in Asien nicht fremd. In Südkorea gibt es sogar eine Kaffeesorte mit seinem Namen. „Für die Koreaner ist Hiddink ein Gott“, sagt der Berliner Robert Jaspert, der an der erfolgreichen Qualifikation der Koreaner für die WM in Deutschland beteiligt war – als Assistent des Nationaltrainers Jo Bonfrere, eines Niederländers. „Alles, was aus Holland kommt, wird in Korea als ideal angesehen“, sagt Jaspert. Folgerichtig wurde nach Bonfreres Entlassung weder Berti Vogts neuer Nationalcoach noch Bryan Robson, sondern Dick Advocaat – der nächste Holländer. „Ich hätte nicht gedacht, dass Advocaat bei der WM dabei ist“, sagt der frühere Schalker Youri Mulder, der inzwischen fürs holländische Fernsehen arbeitet. Dass Advocaat in seinem letzten großen Job, bei Borussia Mönchengladbach, nur mäßig erfolgreich war, hat die Koreaner wenig interessiert. Viel wichtiger war offenbar: Advocaat besitzt die richtige Staatsangehörigkeit.

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