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Kurioses Turnier. Trainer Jogi Löw, nachdenklich.

© imago/MIS

Aus der deutschen Nationalelf bei der EM: Diese Enttäuschung lässt sich aushalten

Diese Europameisterschaft ist ein merkwürdiges Turnier. Es passieren Dinge, die sonst undenkbar wären. Und wer weiß, was für ein Finale sie bereithält. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Friedhard Teuffel

Die Niederlage, die sich gut anfühlt, muss erst noch erfunden werden. Und so lässt sich auch dieses Halbfinale natürlich nicht aufhellen. Beim Höhepunkt der Fußball-Europameisterschaft spielt die deutsche Mannschaft nicht mehr mit. Allerdings: Diese Enttäuschung, sie lässt sich aushalten. Das liegt am deutschen Team im Einzelnen und am Turnier im Allgemeinen.

Hier hat eine Mannschaft gespielt, die zwischen die Zeiten gerutscht ist. Mit den Siegern des WM-Finales von Rio einerseits und einigen erfrischenden Neuankömmlingen andererseits. Einen großen Umbruch braucht diese Mannschaft nicht, es reicht ein geschmeidiger Übergang. Und etwas mehr Zug zum Tor. Das EM-Finale oder gar der Titel wären schöne Zugaben gewesen nach dem Gewinn der Weltmeisterschaft. Aber es schien nicht so, als ob die Mannschaft den Europameistertitel wirklich als Bestätigung nötig gehabt hätte.

Die Nationalelf bleibt noch zwei Jahre Weltmeister, aber womöglich hat Angela Merkel bei diesem Turnier einen Titel verloren. Ist sie eigentlich noch Fußballkanzlerin? Kein einziges Spiel hat sie im Stadion miterlebt. Muss sie auch nicht, nur zeigt ihre Nicht-Teilnahme, um was es gerade geht. Dass sich Europa derzeit kaum Spielerei leisten kann.

Momente der Leichtigkeit

Das Turnier fiel in den Brexit, und dass das kleine proeuropäische Nordirland es bis ins Achtelfinale schaffte und das große antieuropäische England es nur bis ins Achtelfinale, war eine von zahlreichen Kuriositäten dieser EM. Unter politischen Gesichtspunkten ist auch einiges gut gegangen. Frankreich, eine Herzkammer der Europäischen Union, hat als Gastgeber das Endspiel erreicht, und vielleicht könnte ein Titel bei den Unentschiedenen dieser zerrissenen Gesellschaft ein Gefühl des Zusammenhalts auslösen. Könnte sich die Stimmung verbessern in einem Land, das vom Terror geschockt ist und von ständigen Streiks gebeutelt. Die Botschaft der Weltmeistermannschaft von 1998, als Équipe multiculturelle erfolgreich zu sein, bedarf auch längst einer Erneuerung.

Doch wer weiß, was dieses Turnier noch für ein Finale bereithält, es ging schließlich ausgesprochen merkwürdig zu. Auf einmal waren Dinge möglich, die sonst im Fußball undenkbar erschienen. Dass Deutschland gegen Italien gewinnt. Dass Frankreich gegen Deutschland gewinnt. Dass Wales zu den besten vier Mannschaften des Kontinents gehört. Aber auch, dass erstmals der Eindruck entsteht, der Fußball könnte seinen Erfolg überreizt haben.

Das Turnier wirkte schließlich aufgebläht. Halb Europa durfte mitspielen und fast noch genauso viele Länder sollten es in die K.o.-Runde schaffen. Dem Spielniveau tat das nicht gut, der Spannung schon mal gar nicht.

Die Ausweitung hatte kommerzielle Gründe und sportpolitische, weil sich Michel Platini, mit den Stimmen der kleineren Verbände zum Präsidenten des europäischen Fußball-Verbands wählen ließ. Die Isländer wären übrigens auch so dabei gewesen, sie hatten – nur zur Erinnerung – Holland in der Qualifikation hinter sich gelassen. Dennoch kamen die Isländer für das große Publikum aus dem Nichts. Ihre Leidenschaft und ihr Jubel sind das Vermächtnis, das sie dem Fußball bei dieser Europameisterschaft hinterlassen. Schon für diese Momente der Leichtigkeit haben sich die vier Wochen doch gelohnt.

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