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Dirk Lange: Wenn Erfolg polarisiert

Reaktionen auf den neuen Schwimm-Bundestrainer Dirk Lange: Er genießt Respekt, doch unumstritten ist er nicht.

Berlin - Steffen Driesen benötigt eine Sekunde, um die Nachricht zu begreifen. Wahrscheinlich ist er am Samstag der einzige deutsche Schwimmer in der Halle, der diese Nachricht noch nicht kennt. „Dirk Lange wird neuer Bundestrainer der deutschen Schwimmer? Das höre ich zum ersten Mal“, sagt der 26-Jährige. Driesen ist beim Weltcup in Berlin im Vorlauf gerade 54,91 Sekunden über 100 Meter Rücken geschwommen, eine mäßige Zeit, aber er kam aus dem vollen Training. Eigentlich wollte er sich noch ein wenig mit dieser Zeit beschäftigen. Aber jetzt macht er eine längere Pause, dann sagt er: „Wenn man mich nach dem Trainer gefragt hätte, der im deutschen Schwimmen am meisten polarisiert, dann hätte ich Dirk Lange gesagt.“

Driesen ist seit Jahren dabei, er hat viele Geschichten über Lange gehört. Über dessen früheren Drang zur Selbstdarstellung, über sein mitunter unbeherrschtes Wesen. Aber Driesen hat nie viel mit ihm persönlich zu tun gehabt, deshalb bleibt er eher gelassen. Lange ist zugleich ein großer Fachmann, das ist unbestritten. Und von dem neuen Bundestrainer, der ja möglicherweise sogar Cheftrainer wird, erwartet Driesen mehr Feinfühligkeit. „Man kann nicht von oben herab diktieren: Wer nicht 150 Tage mit ins Trainingslager geht, ist nicht mehr dabei.“ Örjan Madsen, der bisherige Cheftrainer hatte das mal verlangt, aber er hat diese Linie später aufgeweicht. „Wenn ich studiere oder eine Ausbildung mache, dann kann ich nicht einfach so viel Training machen“, sagt Driesen. Der Neue möge sich auch darum bemühen, dass im Trainingslager genug Abwechslung für den Kopf da ist. „Sonst denkt man den ganzen Tag ans Schwimmen, das ist dann ja nicht gut für die Leistung.“

Ein paar Minuten später schlendert Driesen zu Henning Lambertz. Er klatscht ihn kurz ab, sie kennen sich gut. Lambertz war der frühere Trainer von Driesen, damals, als beide noch bei Bayer Wuppertal waren. Jetzt arbeitet Lambertz für die SG Essen, er gilt als einer der besten deutschen Betreuer. Dirk Lange, das war einmal ein Reizwort für ihn. Besonders damals, vor sechs Jahren, als Lange ihm Prügel angedroht hatte. „Gehen wir vor die Tür“, hatte Lange gesagt, Nationalschwimmer waren stumme Zeugen. Anlass war eine Nichtigkeit. „Ich hoffe, dass er sich in diesem Punkt geändert hat“, sagt Lambertz, „und wir ein Problem nicht mehr mit den Fäusten austragen.“ Er sagt es einigermaßen gelassen, so als hätte er die Vergangenheit abgehakt. Der Fachmann Lange genießt den Respekt des Kollegen Lambertz. Lange war vier Jahre Cheftrainer in Südafrika, er hat Weltrekordler trainiert. „Er bringt große Erfahrung mit“, sagt Lambertz. „Er hat mit Topathleten gearbeitet. Ich hoffe, dass er das deutsche Schwimmen aus dem Lummerland holt, in das es versunken ist.“ Und Lange habe internationale Kontakte, ein weiteres Plus.

Diese internationale Erfahrung betrachtet auch Frank Embacher als großen Vorteil. Embacher trainiert Paul Biedermann, den Europameister über 200 Meter Freistil. Lange sei Fachmann für Sprint und Start, „da können andere noch etwas lernen von ihm“. Er solle mal bloß „klare Kante fahren. Einer muss den Hut aufhaben, man muss einem auch mal weh tun.“ Und die ganzen Geschichten von früher, die schiebt Embacher erstmal weg. „Man sollte ihn jetzt nicht vorverurteilen.“

Auch die Freistil-Spezialistin Daniela Samulski ist eher neutral. Auf ihrer Massagebank sagt sie: „Ich habe viel über ihn gehört, aber ich selber hatte wenig mit ihm zu tun.“ Hauptsache, sagt sie, er nimmt Rücksicht auf die Anforderungen von Studium oder Ausbildung. Sie spricht für ihre Kolleginnen, Samulski selber ist bei der Bundeswehr, sie hat viel Zeit.

Der Mann, über den alle reden, der sitzt auf einem Plastikstuhl in der Nähe des Beckens, skizziert seine Planungen und hört interessiert zu, als er gefragt wird, ob er erstmal gegen seinen Ruf kämpfen muss. Dann sagt Dirk Lange: „Erfolg polarisiert.“

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