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Sport: Djorkaeff bereitet in letzter Minute Tore vor und wird dafür von Rehagel innig umarmt

Das war kein Glück. Das war Djorkaeff.

Das war kein Glück. Das war Djorkaeff. Nach neunzig Minuten langem armseligem "kick and rush" führten drei Minuten höchster französischer Spielkultur zu einem weiteren Last-Minute-Spektakel in den europäischen Fußball-Wettbewerben. Barcelona auf dem Betzenberg: Es steht immer noch 0:0 zwischen dem 1. FC Kaiserslautern und Tottenham Hotspur, und die Briten haben die planlosen Angriffe der Pfälzer sicher unter Kontrolle. Der belgische Uefa-Delegierte Karel Vertonge lässt die 3 auf seinem Digitaltäfelchen aufleuchten. Es ist die Zeit, die die Engländer nach dem 1:0-Sieg im Hinspiel noch von der 3. Runde des Uefa-Pokals trennt.

Die Drei ist für Youri Djorkaeff das Signal: "Es wird Zeit, dass wir ein Tor schießen und ich alles gebe, was ich habe." Und der Franzose hat so viel. Den langen Luxemburger Jeff Strasser brüllt er mehrmals an: "Donne moi le ballon! Donne mois le ballon!" - "Gib mir den Ball!" Youri Djorkaeff setzt sich gegen sechs (!) Engländer durch und passt den Ball kurz und flach nach rechts zum völlig freien Andreas Buck. Ein herzhafter Schuss: 1:1 in der 91. Minute.

Der spanische Schiedsrichter Juan Ansuategui Roca zeigt noch eine Minute an. Alle stellen sich auf Verlängerung ein. Nicht Youri Djorkaeff. "Wir müssen jetzt gewinnen." Weils so schön war, inszeniert der Franzose das Dakapo, spielt wieder sechs Hotspurs aus: 2:0 in der 92. Minute, nur dass diesmal der unglückliche Steve Carr den Schrägschuss Bucks ins Tor bugsiert. "Das ist Fußball auf dem Betzenberg", tönt es aus dem Lautsprecher. Von wegen alter Rote-Teufel-Kampfgeist: Djorkaeffs Gala-Auftritte in der Pfalz sind Haute Couture in der Nähmaschinen-Provinz, Veuve Clicqot beim Saumagen.

Die englischen Reporter auf der Pressetribüne stöhnen auf und hämmern die "Rache der Deutschen für Manchester United" in ihre Laptops. Nach der gleichen Doppelschlag-Dramaturgie in der Nachspielzeit hatte der FC Bayern das Finale der Champions League gegen Manchester United verloren. Tottenham-Manager George Graham findet im ersten Schock nur ein Wort für das Unfassbare: "Cruel." Grausam.

Der Grausame war dieser Franzose, dieser Weltmeister unter den Bundesliga-Kickern. Einen "tremendous job", beste Arbeit, habe Steffen Freund gegen Djorkaeff neunzig Minuten lang verrichtet. "Aber Youri ist ein so begnadeter Spieler, dass er irgendwann im Spiel seine Magie zeigen wird", sagte Graham. Otto Rehhagel kann sich nicht durchringen, den Helden des Abends ebenfalls öffentlich zu verehren. Als würde eine Huldigung etwas von der eigenen Glorie nach "15 Jahren Erfahrung im Europapokal" nehmen. "Jeder Spieler ist wichtig. Natürlich hat der eine oder andere außergewöhnliche Fähigkeiten." Auf dem Spielfeld freilich nahm Rehhagel nicht jeden Spieler, sondern nur den Franzosen in den Arm, und das besonders innig.

In gutem Englisch redet der charmante Franzose im Presseraum über sein Verständnis vom Fußball und von der Abneigung gegen Engländer: "Das sind Snobs, die sich einbilden, die Besten im Fußball, die Besten im Rugby zu sein. Ich hasse den englischen Stil, und für mich gibt es nichts Schlimmeres, als gegen englische Manschaften zu verlieren."

Weil der Ägypter Hany Ramzy immer wieder den Ball englisch, also blindlings, nach vorne drosch, stauchte er ihn während des Spiels zusammen. Man spricht Englisch. "Wir müssen dann Ball flach halten und kurze Pässe spielen." Fußball im Europa-Pokal sei etwas anderes als Bundesliga. "Das ist wie Poker", sagt Djorkaeff und tippt sich an die Schläfe. "Der Intelligentere gewinnt."

Hartmut Scherzer

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