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Hotelier John Cleese hatte in der Fernsehserie „Fawlty Towers“ einst ein Problem mit seinen Gästen aus Deutschland.

© promo

Fußball-Klassiker England gegen Deutschland: Don't mention the war

Wenn es um Fußball geht, haben die Engländer ein besonderes Verhältnis zu den Deutschen. Ganz so martialisch wie früher geht es aber nicht mehr zu.

Nur nicht den Krieg erwähnen, wenn es im Fußball gegen Deutschland geht. „Don't mention the war.“ Das ist in England ein Gesetz, das die Boulevardpresse immer wieder gerne mal bricht, wenn es in einem wichtigen Spiel gegen die Deutschen geht. 1996 bei der Fußball-Europameisterschaft in England, erlebte die Fantasie der Blattmacher vor dem Halbfinale gegen Deutschland ihre Blütezeit. „Let’s Blitz the Fritz“ titelte „The Sun", „Herr we go“ der „Daily Star“. Im „Daily Mirror", setzte der damalige englische Nationalfußballheld Paul Gascoigne den Stahlhelm auf und erklärte Deutschland den „Fußball-Krieg“. Die Zeile lautete: „The Mirror declares Football War on Germany.“

Die Schamgrenze auf dem britischen Boulevard war immer sehr niedrig, auch wenn es um Fußball und da gegen Deutschland geht. Warum das so ist, dafür hatte der englische Sportwissenschaftler Peter Beck schon vor gut einem Jahrzehnt seine ganz eigene Theorie: „Die Einstellung zu den Deutschen ist beeinflusst durch zunehmend schwammiger werdende Erinnerungen an einstige britische Größe, vermischt mit Mythen, Bildern, Emotionen und irrationalen Vorurteilen, geformt durch Hitler-Deutschland und den Zweiten Weltkrieg.“

Im Jahr 2017 allerdings hat sich die Situation geändert. Mit dem politischen Brexit haben sich die Engländer gefühlt auch ein Stück weit aus dem europäischen Sport ausgeklinkt, Spiele gegen Deutschland verlieren immer mehr an Brisanz, vor allem für den aktuellen Weltmeister. Wohl auch, weil die großen sportlichen Rivalen der Deutschen heute längst andere Teams als die Engländer sind, wie etwa Spanien oder Italien. Den bei großen Turnieren chronisch erfolglosen Engländern ist schließlich – abgesehen von dem 5:1 im WM-Qualifikationsspiel in München – gegen die Deutschen selten ein sportlicher Nadelstich gelungen. Und seit der WM 2010 und dem zu Unrecht im Achtelfinale gegen England nicht gegebenen Tor zum 2:2 durch Frank Lampard hat sich das Unrecht von Wembley 1966 irgendwie ausgeglichen. In England interessieren sich auch immer weniger Menschen für das Finale der Heim-WM, denn das ist ja nun auch schon über ein halbes Jahrhundert her.

Diesmal rauschte es nur wenig in den englischen Medien

Klar, es gab sie auch vor dem Spiel am Freitag, ein paar Sticheleien von Seiten der Engländer. Nationalspieler Eric Dier wusste angeblich nicht, dass das deutsche Team 2014 in Brasilien die Weltmeisterschaft gewann. „Ich kann mich kaum an das Turnier erinnern“, sagte der Profi von Tottenham Hotspur am Donnerstag der „Sun“. „Wer hat gewonnen?“

Diesmal rauschte es aber nur wenig in den englischen Medien vor dem Testspiel im Wembley-Stadion. Die „Mail Online“ betitelte etwa einen Text des Tagesspiegel-Mitarbeiters Kit Holden über den Zustand der deutschen Mannschaft freundlich mit der Zeile: „The Team is the Star“. Aber dann gab es da doch noch etwas: Englands Teammanager Gareth Southgate appellierte an die eigenen Fans, keine Gesänge mit Liedgut aus dem Zweiten Weltkrieg anzustimmen und die deutsche Hymne nicht niederzupfeifen. Beim 1:0-Sieg der Deutschen vor zehn Monaten im Dortmunder Westfalenstadion hatten englische Fan-Gruppen das Stück „Ten German Bombers“ angestimmt. Noch immer populär unter englischen Fußball-Anhängern. Der Text ist angelehnt an das Kinderlied „Ten green Bottles), leider aber auch an das rassistische Derivat „Ten little Indians“ – nicht nur in Deutschlands dunklen Zeiten auch als „Zehn kleine Negerlein“ bekannt.

Von wegen also „don’t mention the war“: Das schwammige Bild deutscher Geschichte und Wirklichkeit manifestierte sich jahrelang auch in der britischen Unterhaltungsindustrie. In der BBC-Serie ,,’Allo, ’Allo“ stolperten in der tumb-dreiste deutsche Besatzer während des Zweiten Weltkrieges durch Frankreich stolpern. Die Serie war lange der Renner im englischen Fernsehen. Und wie den Deutschen zu begegnen ist, wusste auch Comedy-Star John Cleese in der Kultserie „Fawlty Towers“. Vor der Ankunft deutscher Hotelgäste warnt Cleese sein Personal eindringlich, mit den Besuchern behutsam umzugehen – und sagte: „Don’t mention the war!“

Aber: Auf keinen Fall aber dürfe britischer Sarkasmus mit antideutscher Haltung verwechselt werden, sagte Historiker Peter Beck, „schließlich werden auch andere Länder bei uns gern aufs Korn genommen“. Dabei konzentrieren sich die Engländer besonders gern auf lange Zurückliegendes. Kein Wunder, ist doch das einst die halbe Welt beherrschende Königreich in den letzten Jahrzehnten gewaltig geschrumpft und nun nach dem Brexit auch noch isoliert. Dieser Machtverlust findet seine Entsprechung auch im Sport. Cricket, Rugby und Fußball haben die Engländer zwar erfunden, aber sie dominieren sie schon lange nicht mehr. Das schmerzt, vor allem im Fußball.

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