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Sport: Doping-Folgeschäden: Öffentlicher Hilferuf von Opfern

Birgit Boese ist Handwerksmeisterin, erzieht einen Sohn, hat einen scharfen Verstand und kann sich gut artikulieren. Birgit Boese steht mit beiden Beinen im Leben.

Birgit Boese ist Handwerksmeisterin, erzieht einen Sohn, hat einen scharfen Verstand und kann sich gut artikulieren. Birgit Boese steht mit beiden Beinen im Leben. Gestern sagte sie mit Überzeugung: Ich bin naiv. Gut, eigentlich sagte sie: "Wir waren so naiv anzunehmen, die Politiker kümmerten sich ohne Druck von außen um dieses Problem." Das Problem heißt Folgeschäden von DDR-Doping, und Boese, die frühere Kugelstoßerin, war als Dopingopfer eine der Nebenklägerinnen im Prozess gegen die DDR-Chefdoper Höppner und Ewald. Deren Opfer erhalten vom Staat auch ein Jahr nach dem spektakulären Verfahren bis heute keine Entschädigung, und deshalb, sagt Boese, "haben wir die Pflicht zu reagieren". Also überreichten mehrere Dopingopfer am Dienstag Bundestagspräsident Wolfgang Thierse eine Petition. Sie fordern darin angemessenen Schadenersatz. "Die Arztkosten, die wir wegen der Folgeschäden haben, gehen über das Übliche weit hinaus", sagt die frühere Diskuswerferin Brigitte Michel. Bis jetzt gibt es nur einen privaten Drogenopfer-Hilfsverein, und der hat geschädigten Sportlern bislang jeweils einmalig maximal 1000 Mark zahlen können. Die eigentlich Verantwortlichen aber halten sich zurück. Ein Wissenschaftler, der schon zu DDR-Zeiten im Pharmazieunternehmen Jenapharm Dopingmittel erforschte und unverändert auf seinem Posten sitzt, versprach dem Verein mal eine private Spende. Gezahlt hat er bis heute nicht. Auch Jenapharm weigert sich bisher zu zahlen.

Boese und die anderen gehen aber auch noch aus einem anderen Grund an die Öffentlichkeit. "Wir wollen jene Opfer, die bislang schweigen, animieren, über sich zu reden. Das hat etwas Befreiendes." Es gibt auf jeden Fall noch genügend Personen, die sich mit Fragen quälen. Nachdem die Autorin Ines Geipel, zugleich Dopingopfer, am Montag im ARD-Morgenmagazin aufgetreten war, erhielt sie bis Mittwoch fünf Anrufe von Betroffenen. Eine davon war eine alarmierte Mutter: "Meine Tochter", sagte sie, "erhielt früher Dopingmittel, und jetzt hat ihr Sohn einen Wasserkopf. Ich wollte wissen, was dahintersteckt." Die Tochter aber, teilte die verzweifelte Mutter mit, "verweigert dazu jede Aussage".

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