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Tim Meyer, 43, ist seit 2001 Mannschaftsarzt der deutschen Fußball-Nationalmannschaft und dort für das Anti-Doping-Management zuständig. Zudem ist er Professor für Sport- und Präventivmedizin an der Universität des Saarlandes.

© picture alliance / dpa

Doping und Meldepflicht: "Der Kontrolleur kann auch am Weihnachtsabend kommen"

Tim Meyer, Teamarzt der deutschen Fußballnationalmannschaft, über Doping in der Winterpause, Protest gegen die Meldepflicht und sauberen Sport.

Herr Meyer, am Freitag beginnt die Rückrunde in der Fußball-Bundesliga. Wie sicher sind Sie, dass kein Spieler in der Winterpause oder im Urlaub mit Doping nachgeholfen hat, um in Form zu kommen?

Für die Nationalspieler, die ich persönlich kenne, bin ich mir sicher. Auch für andere Bundesligaakteure sehe ich keine konkreten Verdachtsmomente. Andererseits wäre es naiv, davon auszugehen, dass Doping im Fußball überhaupt nicht stattfindet. Ich arbeite allerdings bereits seit dem Jahr 2000 mit deutschen Nationalspielern und anderen Profis aus der Bundesliga und habe nie etwas Verdächtiges erlebt oder davon erfahren. Außerhalb Deutschlands fehlt mir der erforderliche Einblick.

Gibt es genug Kontrollen in der Pause?

Grundsätzlich ist es so, dass die Nada …

… die Nationale Anti-Doping-Agentur …

… Trainingskontrollen an allen Orten durchführen kann. Es gibt keinen Nationalspieler, der sicher sein kann, dass nicht am Weihnachtsabend ein Kontrolleur kommt. Diese Strategie der Unkalkulierbarkeit mag zwar nicht perfekt sein, aber sie ist der einzige Weg, die Zahl von Kontrollen in einem finanzierbaren Rahmen zu halten.

Bei Nicht-Nationalspielern melden die Vereine aber nur Trainingspläne und Rehazeiten, keine Urlaubsorte. Und selbst Nationalspieler werden nur selten zu Hause oder im Urlaub kontrolliert.

Die Meldepflichten für einzelne Spielergruppen sind mit der Nada abgestimmt. Ich habe bei der Nationalmannschaft selbst schon Kontrollen erlebt, die nicht auf dem Trainingsplatz stattfanden. Zwar glaube ich nicht, dass viele Spieler häufig im Urlaub kontrolliert werden, aber sicher sein können sie nicht. Generell habe ich ziemliche Zweifel, dass wir eine größere Dopingsicherheit erzielen, wenn wir das Geld für Kontrollen vervielfachen.

Das würde aber auch die Zahl der Kontrollen vervielfachen.

Eine erhöhte Kontrolldichte würde unter den deutschen Bedingungen keine wesentlich größere Zahl positiver Proben bringen. Es geht darum, mit den zur Verfügung stehenden Mitteln effizient zu arbeiten und intelligente Kontrollen durchzuführen. Wenn Kontrolleure zum Training fahren, kann das durchaus effizient sein, falls sie sich einen vernünftigen Zeitpunkt im Trainingsplan suchen und dann gleich zehn Spieler kontrollieren. Manchmal kann es aber auch erforderlich sein, kostspielige Reisen in entlegene Trainingslager zu finanzieren.

Warum passiert dies nicht öfter?

Wie oft das passiert, weiß ich nicht. Im Prinzip haben wir es auch mit einem gesellschaftspolitischen Problem zu tun: Wie wichtig sind uns Doping-Kontrollen? Wie viel sind wir bereit, dafür aufzuwenden? Aber einen Konsens gibt es da nicht, nicht einmal eine umfangreiche Diskussion zu dem Thema.

Die Handballer protestierten zuletzt dagegen, für Kontrollen ihren Aufenthaltsort drei Monate im Voraus angeben zu müssen. Wie sehen die Fußballer das?

Als das elektronisches Meldesystem der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada eingeführt wurde, kam in verschiedenen Gesprächen mit Nationalspielern schon eine gewisse Empörung über die Einschränkung der Privatsphäre zum Ausdruck. Wer möchte schon jeden Tag im Voraus angeben, wo er hingeht?

Zumindest Fußballer erhalten viel Schmerzensgeld für solche Einschränkungen.

Ihre Frage suggeriert ja: Ihr kriegt viel Geld, also müsst ihr alles hinnehmen. Das sehe ich anders. Wir müssen uns fragen, wie sehr wir bereit sind, wegen der Dopingfrage die Persönlichkeitsrechte der Sportler einzuschränken? Diese Rechte gelten ja nicht abhängig vom Einkommen, sondern für jeden Bürger. Für mich war es jedenfalls in den Gesprächen mit verschiedenen Nationalspielern glaubhaft, dass sie sich eingeschränkt fühlen. Dass letztlich die Vernunft über die Empörung gesiegt hat, sehen Sie ja daran, dass die Fußballspieler kooperieren und nicht gegen die Regelung demonstrieren.

Müsste der Fußball nicht selbst ein Interesse haben, transparent zu erscheinen?

Ich gebe ihnen recht, dass die Außendarstellung an manchen Stellen noch deutlicher sein könnte: Schaut her, wir sind sauber, ihr könnt kommen, wann ihr wollt. Aber der DFB hat sich schon sehr deutlich positioniert.

Würden Sie als Teamarzt aufhören, wenn sie mitbekommen, dass ihre Spieler dopen?

Zu meiner Tätigkeit im Fußball gehört es, in der Grundüberzeugung zu leben, dass die von mir betreuten Sportler nicht betrügen. Wenn ich das nicht mehr denken kann, also ganz für mich, im stillen Kämmerchen, dann macht mir das einfach keinen Spaß. Dann bin ich lieber anderweitig tätig.

Das Gespräch führte Dominik Bardow.

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