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Bob Stapleton: "Uns läuft die Zeit davon"

T-Mobile-Teamchef Bob Stapleton über die Dopingbekämpfung und die Vermarktung des Radsports.

Herr Stapleton, jede Tour-Berichterstattung in Deutschland beginnt mit der D-Frage.

Ich weiß.

Der Weltverband UCI hat dem spanischen Rennstall Relax-GAM in Aussicht gestellt, 2008 in die Pro-Tour aufzusteigen. Relax-GAM beschäftigt mit Oscar Sevilla, Francisco Mancebo und Angel Vicioso drei in den spanischen Blutdoping-Skandal verwickelte Fahrer. Was würde die Lizenzvergabe bedeuten?

Es wäre kein gutes Zeichen. Es ist im Ehrenkodex ganz klar formuliert: Teams, die in den Skandal verwickelte Fahrer halten, muss die Lizenz verweigert werden. Der Kodex ist nicht verhandelbar.

Der deutsche Sprinter Erik Zabel fordert eine Generalamnestie für Radprofis, solange sie gestehen. Dies wäre wichtig für die Vergangenheitsbewältigung.

Die Frage ist: Was braucht der Radsport? Er braucht in erster Linie ein für alle Teams verbindliches Testsystem, das den neuesten Standards entspricht. Dies ist die einzige Lösung unseres Problems. Wenn wir das hinbekommen, dann soll man auch über eine Generalamnestie nachdenken.

Sie würde in erster Linie Fahrern nützen, die betrogen haben.

Vor wenigen Monaten hatte ich zwei klare Positionen: Der Skandal in Spanien muss aufgeklärt werden. Und wir brauchen eine neue Antidopingrichtlinie. Von der ersten habe ich mich verabschiedet.

Der Skandal wird demnach ohne Konsequenzen bleiben?

Ich habe den Glauben verloren, dass er aufgeklärt wird. Ich sehe einfach keinen Enthusiasmus. Zu viele Teams, zu viele Fahrer und zu viel Geld sind involviert.

Jüngst wurde auch T-Mobile wieder vom Doping eingeholt. Es gibt Unterlagen, die den Verdacht nahe legen, Rogers, Sinkewitz und Bernhard Eisel hätten als Junioren beim Team Mapei gedopt.

Ich habe keine Zweifel, dass früher bei Mapei gedopt wurde, ob meine drei Fahrer, kann ich nicht sagen. Aber für mich ist eines von größerer Bedeutung: Wie sauber sind meine Fahrer heute?

Sind Sie es?

Alle Daten, die wir haben, sagen: Ja. Sie werden von allen möglichen Verbänden und Agenturen getestet. Zusätzlich auch von uns, wie etwa auf Eigenblutdoping, was nicht alle Teams so halten. Und sie haben als erste die Antidopingerklärung unterschrieben. Sie haben alles getan, um Stellung gegen Doping zu beziehen.

Sie haben mit Gerolsteiner und den französischen Teams ein eigenes „mouvement“ gegen Doping begründet. Was hat zur Spaltung von den anderen Teams geführt?

Wir haben nicht alle die gleiche Auffassung, wie Doping bekämpft werden soll.

Einer, der selbst immer wieder mit Doping in Verbindung gebracht wurde, ist der Vorsitzende der Profiteam-Vereinigung Patrick Lefèvere. Ist sein Vorsitz das richtige Zeichen?

Er ist schon lange im Radsport tätig. Er kann den Antidopingkampf voranbringen. Er muss es nur wollen.

Will er?

Ich glaube nicht, dass er genug tut. Aber wir brauchen jetzt einen Riesenschritt in Richtung neuer Tests. Oder der Radsport hat keine Zukunft.

Was, wenn die Spaltung erhalten bleibt?

Uns läuft die Zeit davon, Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen. Ich habe Befürchtungen, dass nach der Tour der Antidopingkampf wieder in sich zusammenfällt.

Wie wollen Sie das verhindern?

Die Doping-Thematik darf jetzt nicht hinten runter fallen.

UCI-Präsident Pat McQuaid hat die Idee der Profifahrer aufgenommen, dass auch Team-Funktionäre die Ehrenerklärung unterschreiben sollen.

Das ist eine großartige Idee. Wir unterschreiben sofort.

Sie sind neu im Profiradsport, woher beziehen Sie derart viel Kraft, dem Dopingproblem entgegen zu treten?

Ich bin begeistert von diesem Sport. Ich habe eine starke Bindung zu T-Mobile. Und ich sehe sein enormes Potenzial als Sportevent.

Ist es ausgeschöpft?

Ganz ehrlich? Bei weitem nicht. Der Radsport gehört zu den sechs großen Sportarten. Aber die Tour ist das einzig wirklich professionelle Event.

Was würden Sie anders machen?

Das ist ein heikles Feld, niemand soll mich falsch verstehen, nach der Art: Ah, der Ami weiß alles besser. Aber so, wie ich es aus den USA und der Wirtschaft kenne, braucht es einfach nur intelligentes Marketing.

Nehmen wir die Flandern-Rundfahrt.

Das Rennen ist eines der Topevents des Jahres. Donnerstag könnte man beginnen mit einer Highlight-Show. Was ist die Geschichte des Rennens, was sind ihre Helden, ihre Duelle, ihre Stürze? Freitag das Rennen. Dazu entwickelt man Drei-Minuten-Clips, die man an Fernsehstationen verkauft. Zurzeit sieht das Rennen eigentlich nur, wer hinfährt.

Reicht dies aus, den Radsport insgesamt fernsehtauglicher aussehen zu lassen?

Nein. Das wichtigste ist die TV-Vermarktung. Sie muss vor allem anderen zentralisiert und nicht wie jetzt von jedem selbst verhandelt werden. UCI und ASO (der Tour-Veranstalter, Anm. d. Red.) müssten sich an einen Tisch setzen. Zudem könnte der Kalender gestrafft werden, 25 Wochen im Jahr mit großen, klug vermarkteten Rennen würden ausreichen.

Traditionalisten stellen sich spätestens an diesem Punkt quer.

Wenn Sie Angst hätten, ihre Klassiker würden wegfallen, wäre sie unbegründet. Die Flandern-Rundfahrt oder Paris-Roubaix sind spannend und leicht zu vermarkten. Und profitieren würden letztlich alle.

Sehen Sie Ansätze, die Ihren gleichen?

Ich denke, wenn die großen Veranstalter und die UCI an einem Strang ziehen, werden wir die ersten Veränderungen schon kommendes Jahr sehen. Dazu müssen sich aber alle, wie auch im Antidopingkampf, einer Sache klar werden: Nichts geht, wenn der Radsport uneins bleibt.

Das Gespräch führte Martin Henkel (Handelsblatt).

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