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Pechstein

© ddp

Claudia Pechstein: Optimismus im Blut

Claudia Pechstein gibt sich bei ihrem Prozess in Lausanne betont zuversichtlich. Sie will belegen, dass die Internationale Eislauf-Union ISU eine ihrer Vorzeigeathletinnen zu Unrecht des Dopings beschuldigt hat.

Zum vielleicht wichtigsten Termin ihrer sportlichen Karriere erschien Claudia Pechstein nur mit einer kleinen Handtasche. „Optimistisch“ sei sie, sagte die fünfmalige Olympiasiegerin im Eisschnelllauf, bevor sie das Gebäude des Internationalen Sportgerichtshofs Cas in Lausanne betrat. Die Akten hatten vorher andere für die Berlinerin hineingetragen – zwei Anwälte und andere Begleiter, Wissenschaftler und Funktionäre der Deutschen Eisschnelllauf-Gemeinschaft. Diese Akten sollen in der Verhandlung belegen, dass die Internationale Eislauf-Union ISU eine ihrer Vorzeigeathletinnen zu Unrecht des Dopings beschuldigt hat. Seit gestern wird in Lausanne über Pechsteins schwankende Blutwerte verhandelt, das Urteil wird frühestens in der nächsten Woche gefällt.

Die Vorhänge sind zugezogen im Verhandlungssaal des Château de Béthusy, die Verhandlung ist nicht öffentlich. Dennoch sind so viele Journalisten nach Lausanne gekommen wie noch nie bei einem Verfahren des Cas. Eine Entscheidung gegen Claudia Pechstein, und ihre Karriere wäre beendet, sie bliebe auf Kosten in sechsstelliger Höhe sitzen, vor allem aber würde sie einen bösen Schatten nicht los, ähnlich wie der Läufer Dieter Baumann. Ein Urteil zu ihren Gunsten, und das Dopingkontrollsystem könnte erschüttert werden, Pechsteins Fall ist schließlich der erste, in dem ein Verband eine Sperre aufgrund von Auffälligkeiten im Blutprofil ausgesprochen hat.

So schien es jedenfalls, aber dem widerspricht nun die Wada, die Welt-Anti-Doping-Agentur. Es bleibe der Fall Pechstein, es werde nicht der Fall Blutprofil. „Dieser Fall muss unterschieden werden vom Athletenpass, den die Wada gerade einführt“, sagte Wada-Generaldirektor David Howman dem Tagesspiegel. „Dieser Fall Pechstein beruht auf einer Reihe von Parametern, aber nicht auf dem ganzen Spektrum biologischer Parameter und anderer Hinweise, die der Athletenpass liefert.“ Nach diesem Standard arbeiten bislang der Internationale Radsportverband und der Internationale Leichtathletik-Verband, nicht aber die Eisschnellläufer.

Fälle, in denen Athleten auch ohne positive Dopingprobe gesperrt wurden, hat der Internationale Sportgerichtshof schon vorher verhandelt. Und dabei unter anderem den ehemals schnellsten Mann der Welt, Tim Montgomery, im Dezember 2005 gesperrt. Eine Zeugenaussage gegen Montgomery reichte dem Cas. Genau wie die Indizien gegen österreichische Biathleten, in deren Quartier bei den Olympischen Winterspielen von Turin 2006 Gerätschaften zum Blutdoping gefunden worden waren. Welche Standards bei Blutprofilen anzuwenden sind, darüber könnte der Cas nun jedoch durchaus etwas entscheiden.

Die Internationale Eislauf-Union ISU hat sich selbstbewusst gegeben, und in der Tat haben die meisten Dopingsperren vor dem Cas Bestand. Gerd Heinze, der Präsident der Deutschen Eisschnelllauf-Gemeinschaft, hat im Verhandlungssaal einen „informativen und sachlichen Austausch der Wissenschaftler“ beobachtet. Nach der Anzahl der Gutachter hat Pechstein 3:5 verloren, sie hat drei Gutachter benannt, die ISU fünf. An diesem Freitagnachmittag soll die Verhandlung abgeschlossen sein. Pechstein braucht das Urteil in der nächsten Woche, mit einem Freispruch könnte sie am nächsten Wochenende an den deutschen Meisterschaften in Berlin teilnehmen.

Formale Fehler wirft Pechstein der ISU vor, sie zweifelt an der Korrektheit der Messergebnisse, an der exakten Zuordnung der Proben, vor allem aber seit neuestem daran, dass ihr aus erhöhten Werten der jungen roten Blutkörperchen, der Retikulozyten, überhaupt ein Vorwurf gemacht werden kann. Denn Gutachten hätten jetzt ergeben, dass ihr Blutbild eine Anomalie aufweise. Bei ihr bestehe eine so genannte Hämolyse, bei der die erwachsenen roten Blutkörperchen zerstört werden und der Körper dafür verstärkt Retikulozyten produziere. „Mir ist völlig unklar, wie der Verband mich sperren konnte, ohne eine Abnormalität vorher auszuschließen“, sagt sie.

Ein unabhängiger Experte hält Pechsteins Erklärung durchaus für schlüssig. „Es gibt immer wieder Menschen, die erst mit dreißig oder vierzig Jahren über eine Hämolyse stolpern“, sagt Thomas Held, Arzt für Innere Medizin im Klinikum Berlin-Buch und Experte für Hämatologie. Höchstleistungen und Hämolyse schlössen sich nicht gegenseitig aus. „Auch Tennisspieler Pete Sampras hatte eine vergleichbare Anomalie und konnte trotzdem hervorragend spielen“, sagt Held. Eine Hämolyse könne sowohl chronisch auftreten oder nur vorübergehend etwa durch ein Medikament oder Antikörper. „Eine Hämolyse tritt nicht sehr oft auf, nicht in einem von hundert Fällen“, sagt Held, „aber im Monat habe ich drei bis vier neue Fälle bei mir in der Sprechstunde.“ Mit einigen Parametern könne eine Hämolyse bestimmt werden. „Es ist wie ein Puzzlespiel, man muss verschiedene Teile zusammensetzen.“ Nun wird es darauf ankommen, welches Bild Pechsteins vorgelegte Teile zeigen.

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