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Doping: Erst die Pille einwerfen, dann den Ball

Doping-Vorwürfe im Fußball sind nicht neu – aber es gibt mehr Kontrollen. Seit 1988 nimmt der DFB Doping-Proben durch, allein 800 in der vergangenen Saison.

Berlin - Muss jetzt die Vereinsgeschichte des FC Schalke 04 umgeschrieben werden? Hat der Revierklub etwa in der Zweitligasaison 1989/90 Spiele dank verbotener Substanzen gewonnen? Also noch ein Bundesligaskandal, an dem Schalke beteiligt war? Daran will sich im Moment nur ein Beteiligter erinnern, der damalige Trainer Peter Neururer. Er hat jedenfalls behauptet, dass die Hälfte der Spieler Captagon genommen habe, ein verbotenes Aufputschmittel, das von seiner Wirkung her Amphetaminen gleicht. Neururers Beleg: Er habe es den Spielern an den Augen angesehen, Captagon macht schließlich aggressiv.

Die Schlagzeilen hat der zurzeit arbeitslose Fußballtrainer damit beherrscht, seine früheren Spieler dagegen verärgert: „Ich bin überrascht und erbost, dass Neururer so etwas in den Raum stellt“, sagte der ehemalige Mannschaftskapitän Dietmar Schacht dem Tagesspiegel. „Zu meiner Zeit bei Schalke habe ich nicht gesehen, dass einer meiner Mitspieler Captagon genommen oder sich irgendwie aufgeputscht hätte.“ Sein Mitspieler Matthias Herget äußerte sich ähnlich. Auch der heutige Schalke-Manager Andreas Müller war damals – wie auch der Nationaltorwart Jens Lehmann – im Kader der Gelsenkirchener. Müller nennt Neururers Vorwurf „eine absolute Sauerei. Da macht sich einer wichtig. Für mich kann ich total ausschließen, das bei mir so etwas passiert ist. Ich kann aber nicht beurteilen, was bei anderen war.“

Auch der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hatte Neururer aufgefordert, Namen preis zugeben. Der Vorwurf, dass gegen Ende der Achtzigerjahre im deutschen Fußball gedopt wurde, ist allerdings nicht neu. Harald Schumacher hatte in seinem Buch „Anpfiff“ 1987 geschrieben, dass Doping in der Bundesliga ein alltägliches Thema sei. Freunde machte sich Schumacher damit nicht: Er musste seine internationale Karriere (76 Länderspiele) beenden, der 1. FC Köln reagierte mit Auflösung des Vertrags. Im März 2007 sagte Schumacher: „Fußball ist definitiv sauberer geworden. Heute gibt es Doping-Proben. Wer heute dopt, muss ja einen Schaden haben.“

Tatsächlich führt der DFB seit 1988 Dopingkontrollen durch, bis in die Neunzigerjahre hinein aber galten sie als sehr lax. In seinem 1994 erschienenen Buch „Rote Karte für den DFB“ zitiert Autor Edwin Klein den ehemaligen Präsidenten des FC Homburg, Manfred Ommer: „Bevor ein gedopter Spieler ausgelost werden kann, spricht unser Arzt mit dem DFB-Arzt und erklärt ihm, ein bestimmtes Medikament sei erforderlich gewesen. Dann nehmen wir die Rückennummer aus dem Pott.“

Derlei ist heute wohl unmöglich: Der DFB hat in der abgelaufenen Saison mehr als 800 Doping-Kontrollen bei den Spielen der obersten drei Ligen der Männer und den ersten zwei Klassen der Fauen und im DFB-Pokal unternommen. Pro Wochenende gibt es knapp drei Überprüfungen pro Spielklasse, sagte DFB-Sprecher Harald Stenger unlängst. Bei den Trainingskontrollen gilt der Fußball aber nicht als vorbildlich. Er wird jedenfalls dabei deutlich von anderen Disziplinen übertroffen. Auf internationaler Ebene passiert dagegen mehr. Seit einigen Jahren führt der Europäische Fußball-Verband Trainingskontrollen durch.

Neururers Anschuldigen zu der betreffenden Saison 1989/1990 sind schwer nachzuprüfen, zumal sie bis gestern keiner der Spieler bestätigte und erstmal in keiner konkreten Verbindungen zum heutigen Profifußball stehen. Neururers damaliger Assistenztrainer Michael Krüger sagte einem Radiosender in Niedersachsen: „In meiner aktiven Zeit als Spieler bei Arminia Hannover, in der Zeit von 1976 bis 1980, da habe ich schon den einen oder anderen gesehen oder von ihm gewusst, dass er sich Captagon reingeschmissen hat“. Bei Schalke 04 habe er solche Beobachtungen aber nicht gemacht, sagte Krüger.

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