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Kommentar: Claudia Pechstein: Tendenz zum Freispruch

Frank Bachner über die neuen Argumente im Dopingfall Pechstein.

Vier renommierte Wissenschaftler saßen auf dem Podium, sie formulierten ein Argument nach dem anderen, und am Ende hatte diese Argumentationskette eine solche Wucht, dass eigentlich nur eine Reaktion möglich ist: Die Eisschnellläuferin Claudia Pechstein ist baldmöglichst freizusprechen. So weit die gefühlte Lage. Juristisch ist der Fall komplizierter, die Argumente waren den Richtern des Internationalen Sportgerichtshofs, die Pechstein wegen Dopings verurteilten, ja bekannt. Aber dass einer der Prozessgutachter sich bitter beklagte, seine Einschätzung sei im Urteil vollkommen falsch interpretiert worden, das ist starker Tobak. Das Schweizer Bundesgericht, das nun über die Revision entscheidet, muss schon sehr gute Gründe finden, um Pechsteins Beschwerden abzuschmettern. Trotzdem: Mit der finalen Botschaft „Pechstein ist ein Opfer“ sollte man erst einmal warten. Sollte neu verhandelt werden, mit Hinweis auf die unzureichende Würdigung des Gutachtens, dann freilich spricht viel für einen Freispruch.

Aber schon jetzt beschädigt der Fall den sogenannten Blutpass. Den hat die Welt-Anti-Doping-Agentur eingeführt, um genau jene dopenden Athleten per indirektem Beweis zu überführen, die bislang mit Akribie noch jede Kontrolle unbeschadet überstanden haben. Pechstein ist über den indirekten Beweis verurteilt worden. Sollte sie freigesprochen werden, droht eine Grundsatzdiskussion über den Sinn dieser neuen Waffe im Anti-Doping-Kampf. Und das wäre fatal. Die indirekte Beweisführung an sich ist schließlich überaus notwendig. Dass Doper eine positive Probe nicht fürchten müssen, zeigt unter anderem der Fall Marion Jones. Die amerikanische Sprinterin ist 164 Mal kontrolliert worden. Erwischt wurde sie dabei nie. Sie war nur eine von unzähligen Sportlern, denen allenfalls über Umwege beizukommen ist.

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