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Dortmunder Meisterfeier: Am Zapfhahn des Jubels

Dortmunds Spieler feiern im Meistertaumel mit den Fans. Kevin Großkreutz muss jetzt zum Friseur und Neven Subotic wäre am liebsten mitten drin.

Im „B-Trieb“ war die Hölle los, die alt-ehrwürdige Kneipe im Dortmunder Kreuzviertel platzte aus allen Nähten. Drinnen gab es kaum ein Vorrücken bis zur Theke, um an frisches Bier zu gelangen, draußen standen die Menschen bis auf die andere Straßenseite. Aber das war für die meisten nicht schlimm, denn die Insassen der Autos hatten sowieso genug damit zu tun, zu hupen und mit ihren Schals aus dem Fenster zu winken.

Dortmund feiert eine riesige Party in Schwarz-Gelb, die siebte Meisterschaft der Vereinsgeschichte ist unter Dach und Fach. Wenige Meter weiter fährt ein Wagen langsam die Lindemannstraße rauf und runter, vom Beifahrersitz schaut Neven Subotic heraus. Der Serbe ist Manndecker bei Borussia Dortmund, er liebt das Fußballspiel, und er liebt es, mit denen mit den Fans zu feiern.

Zwei Stunden zuvor hatte Subotic im Dortmunder Stadion gestanden und mit einem etwas wehmütigem Blick hoch zur Südtribüne geschaut, auf der 25 000 völlig euphorisierte Zuschauer auch 90 Minuten, nachdem das 2:0 gegen den 1. FC Nürnberg abgepfiffen worden war, keine Anstalten machten, nach Hause zu gehen. Dortmunds schlaksiger Profi wäre am liebsten mitten drin gewesen in der durchgeknallten Feiermeute. „Meine Haare kleben vor Bier, meine Hose ist klitschnass“, sagte Subotic.

Als die drei Punkte eingefahren waren, die das historische Ereignis komplettierten, brachen in der einwohnerstärksten Stadt des Ruhrgebiets alle Dämme. Die Gelbe Wand rockte, die Meute in Schwarz-Gelb gab noch einmal alles für ihren Verein. Auf der Torlatte standen Lucas Barrios und der scheidende Volksheld Dede, aus den Lautsprechern tönte der Ballermann-Klassiker „Du hast die Haare schön“. Der Ur-Dortmunder Kevin Großkreutz, ein Junge aus dem Stadtteil Eving, hatte versprochen, erst wieder zum Friseur zu gehen, wenn der Klub Deutscher Meister geworden ist. „Vor zwei Jahren habe ich selbst noch auf der Tribüne gestanden“, sagte er, „und jetzt stehe ich hier. Ich raffe es nicht.“ In einer ersten Schnellrasur mussten die Haupthaare des Mittelfeldrenners dran glauben, die Meister-Matte im Nacken blieb stehen.

„Vokuhila“ (Vorne kurz, hinten lang) nennen sie im Revier eine solche Haarpracht. Es gibt durchaus schönere Anblicke, aber Großkreutz kann ja für nächste Woche einen Termin beim Friseur machen. Doch erst einmal muss er wieder nüchtern werden. Und das kann dauern, so wie sich die Feierlichkeiten bei der Borussia angelassen haben.

Wie schon während der 90 Minuten, in denen Lucas Barrios und Robert Lewandowski mit ihren Treffern den finalen Schritt zum Titel vollendet hatten, veranstaltete die Kulisse im größten Stadion der Liga ein Höllenspektakel. Wenn in zwei Wochen nach dem letzten Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt die Schale übergeben wird, soll die Dortmunder Megaparty ihren Höhepunkt erreichen. Mehr als 100 000 Menschen werden auf der B1 erwartet, die dann für Autos gesperrt sein wird.

Am liebsten, führte Subotic auf dem Rasen stehend aus, würde er schon an diesem Abend auf die Straße gehen, um mit den Fans zu feiern. Bei der Spritztour mit dem Auto durch das Kreuzviertel hat sich der Dortmunder zumindest eine Prise vom Taumel gegönnt. Später hat er sich mit seiner Mannschaft zurückgezogen, die gemeinsam bei ihrem Lieblingsitaliener feierte. Dort ging es, so wurde später berichtet, wesentlich gesitteter zu als auf den Straßen der Stadt. Es hatte den Anschein, als müssten sich die Spieler nach den überbrodelnden Emotionen im Stadion erst einmal sammeln.

Während die Spieler versuchten, ihre Gefühle zu sortieren, pulsierte in der Stadt des neuen Deutschen Meisters das Leben. Daran wird sich in den nächsten Tagen und Wochen wohl kaum etwas ändern. So wie im „B-Trieb“, wo das schwarz-gelbe Volk tobte, ging es in hunderten Dortmunder Kneipen zu. Auf dem Bürgersteig, mitten in der Menge, stand ein kleine Junge mit der Plastikschale in der Hand, den sie zig Mal in den strahlend blauen Himmel über Dortmund hoben und mit der Welle begleiteten. Die ehemalige Kohle- und Bierstadt feierte sich, ihren Klub und die Meisterschaft. Dazu sangen all die glücklichen Menschen das Lied, das mit einer einzigen Zeile auskommt. Sie kündet davon, dass nur der BVB Deutscher Meister ist. Immer wieder hoben die Leute zu dieser Strophe an, als müssten sie sich darüber klar werden, dass es nun tatsächlich so weit ist.

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