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Sport: Ducken gilt nicht

Nach seiner Rückkehr aus Brasilien muss sich Marcelinho dem Vorwurf einer Kneipenschlägerei stellen

Berlin - Es ist kurz vor halb neun am Morgen, und am Gate 8 des Flughafens Tegel drängen sich die Fotografen. Marcelinho ist gerade gelandet, er hebt seine Koffer auf einen Wagen, rollt hinaus, die Fotografen drücken ab. Der Fußballer von Hertha BSC saß 20 Stunden im Flugzeug, er kommt aus Brasilien. Müde sei er, sagt Marcelinho, als er zum Parkplatz läuft und in seinen Mercedes steigt. Und stimmt nun diese Geschichte, Marcelinho? „No“, sagt er und fährt schnell weg, zum Trainingsgelände von Hertha BSC. Seit Montag haben sie ihren Brasilianer schon vermisst.

Normal war es schon, dass er das erste Training verpasst hat, auch in den Jahren zuvor hatte er sich in Brasilien etwas mehr Zeit gelassen. Nur ist jetzt noch diese Geschichte dazwischengekommen. Die Zeitung „Jornal da Paraiba“, die in Marcelinhos Heimatdorf erscheint, hat berichtet, dass sich Marcelinho liebevoll in einer Diskothek um eine Frau gekümmert haben soll. Damit war ihr Begleiter jedoch offenbar nicht einverstanden. Es kam dem Zeitungsbericht zufolge zum Streit, Fäuste flogen, dem Freund fehlen nun drei Zähne, Marcelinho wurde von der Polizei verhört. Hat Marcelinho also seinen Arbeitgeber angelogen? Hatte er gar keine „Immobilien-Termine“, wie Manager Dieter Hoeneß das Fernbleiben seines Stars zu erklären versuchte?

„Doch, doch“, sagt Marcelinho und sitzt dabei etwas kleinlaut in einem Konferenzraum auf der Geschäftsstelle von Hertha BSC. Diese Schlägerei, der Polizeikontakt, das sei alles ganz anders gewesen. „Ja, ich war in der Disko“, sagt der 31-Jährige am Mittag. „Aber die Vorwürfe, dass ich jemanden geschlagen habe, entsprechen nicht der Realität. Da wollen mir andere etwas anhängen.“ Nein, er habe keinen Streit gehabt. Nein, er habe nicht gesagt, dass er die Kosten für drei neue Zähne als Entschädigung übernehme. Er war auch nicht Beschuldigter bei der Polizei, „ich habe mich selbst bei ihr gemeldet“, sagt Marcelinho. „Das ist Verleumdung.“ Er wolle nun juristisch gegen die Leute in der Diskothek vorgehen.

In der Nacht zum Samstag soll sich der Vorfall ereignet haben, am Montag hatte er den Immobilien-Termin. „Mit einem Notar“, sagt Marcelinho. Der Brasilianer hat in seiner Heimat schon einiges Geld in Häuser investiert, die die Investition nicht unbedingt wert waren.

Neben ihm sitzen seine beiden Vorgesetzten, Trainer Falko Götz und Manager Dieter Hoeneß. Sie hatten ihn beim Training begrüßt, kurz nach zehn Uhr war das, auf einem der Rasenplätze hinter dem Olympiastadion. Marcelinho rannte mit Hanteln über den Platz, ließ ein paar Fotos mit Kindern von sich machen und ging dann in die Kabine. Der Manager war auch da, seine Limousine parkte genau vor der Tür. „Wir wollten ja wissen, was los ist“, sagt Hoeneß. „Ich hatte ja nicht den Hauch einer Ahnung.“

Der Manager musste sich gleich mit zwei Krisen an diesem Tag beschäftigen. Marcelinhos Verspätung war schließlich nur das eine brisante Thema. Das zweite war die Anschuldigung eines Mädchens, dass sie von vier Hertha-Juniorenspielern vergewaltigt worden sei. Am Abend hat sie jedoch ihre Vorwürfe zurückgenommen. „Ich hatte neun Tage Urlaub,“ sagte Hoeneß, „aber davon spüre ich nicht mehr viel.“ Auch Trainer Falko Götz saß sichtbar genervt neben dem Manager, schüttelte manchmal ungläubig den Kopf oder lachte über Fragen, die ihm komisch vorkamen. „Wichtig ist, dass Marcelinho wieder das Training mitmacht“, sagt Götz. Marcelinho war da längst gegangen. „Ich habe Hunger“, sagte er zum Abschied und verschwand in der Kantine.

André Görke

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