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Schulterschluss. Albas Basketballer, hier Sven Schultze (r.) und Yassin Idbihi, gehen in den Saison-Endspurt. Foto: Eibner

© Eibner Pressefoto

Sport: „Dumme Fehler sind nicht akzeptabel“

Albas Trainer Muli Katzurin über Berlin, José Mourinho, seine Basketball-Philosophie und die Play-offs

Herr Katzurin, haben Sie als Fan von Real Madrid das Fußballspiel gegen Barcelona am Mittwoch gesehen?

Ja, aber es war ein schlechtes Spiel. Und die Rote Karte gegen Madrids Pepe war ein Fehler. Der Platzverweis hat das Spiel beeinflusst, jetzt ist der Wettbewerb gelaufen, Barcelona wird ins Finale kommen.

Haben Sie als Coach Verständnis für die Wut von Real-Trainer José Mourinho?

Vom Fernseher aus ist es einfach, was zu sagen, denn dein Puls als Zuschauer ist bei null, aber am Spielfeldrand ... Es war ein Fehler von Mourinho, sich so aufzuregen, dass er auf die Tribüne geschickt wurde. Da wird er wohl auch im Rückspiel in Barcelona sitzen, aber ein Team braucht seinen Coach an der Seitenlinie.

Sie bewundern Mourinho als Trainer. Allerdings ist sein Ansatz eher, sein Team auf jeden einzelnen Gegner einzustellen. Sie ziehen dagegen Ihre eigene Philosophie in jedem Spiel durch.

Ich bin kein Fußballexperte, das ist ein anderer Sport. Aber im Basketball hat man als Coach größeren Einfluss auf das Spiel, es gibt Auszeiten und kein Auswechsellimit. Natürlich stellt man sich auch auf den  Gegner ein, aber jeder hat eine Philosophie, es macht auch keinen Sinn, die kurzfristig zu ändern.

Als Sie im Januar zu Alba kamen, haben Sie die Spielweise des Teams radikal geändert.

Für mich bestand kein Zweifel daran, dass ich hier meine Philosophie einbringen würde. Das war nicht einfach für alle Beteiligten, ich musste die Spieler gleichzeitig auf die vielen Spiele und auf mich vorbereiten, auf meine Philosophie. Aber ich muss die Spieler loben, sie waren offen für meine Ideen.

Sie wirken oft sehr streng und wechseln Spieler teilweise schnell wieder aus.

Die Spieler dürfen Fehler machen, das sage ich ihnen immer wieder. Aber wenn einer faul ist oder unkonzentriert und deswegen Fehler macht, etwa einen verrückten Wurf nimmt, statt den freien Mitspieler zu suchen, dann nehme ich ihn raus. Auf die Art erinnern sich die Spieler besser an Fehler, als wenn ich es einfach nur sage. Wechsel sind eine meiner Waffen als Coach. Dumme Fehler sind nicht akzeptabel.

Gleichzeitig geben Sie den Spielern aber viele Freiheiten. Wie funktioniert das?

Ich glaube, die Spieler mögen mein System, weil sie sich darin zeigen können. Ich lege ihnen keine Handschellen an. Ich sage: Wenn du Talent hast, dann zeig es – aber in meinem System. Wenn die Fans immer wieder die gleichen Passpassagen sehen, wird es langweilig. Wir aber wollen sie mitnehmen, eine Atmosphäre erzeugen. Also lasse ich die Spieler spielen und laufen und halte sie nicht zurück.

Wie viel Zeit hatten Sie schon, um sich in Berlin umzusehen?

Nicht viel, ehrlich gesagt. Aber ich bin auch niemand, den Sie abends in einer Bar finden werden. Ich mag meine eigene Rückzugsecke zu Hause. Aber ich schaue mich um und gehe sonntags raus, meine Kinder waren neulich eine Woche zu Besuch. Was mich begeistert, sind die vielen jungen Leute in der Stadt, man sieht sie überall, auf den Fahrrädern.

Leider hat die Stadt aber auch eine negative Geschichte, besonders natürlich die Zeit des Nationalsozialismus. Inwiefern beschäftigt Sie das als Israeli?

Diese Zeit dürfen wir alle nie vergessen, wir müssen aus ihr lernen. Ich denke aber nicht, dass so etwas noch einmal passieren kann. Ich kenne die deutsche Vergangenheit natürlich sehr gut, in Israel lernen wir eine Menge in der Schule darüber. Aber man kann nicht immer zurückblicken, wir haben heute eine neue Generation. Ich habe auch das Glück, dass meine Familie nicht vom Holocaust betroffen war. Wir leben seit fünf Generationen in Israel.

Sind Sie religiös? Besuchen Sie eine Synagoge?

Nein, ich bin nicht religiös. Ich habe Respekt dafür, aber es ist nicht mein Weg. Außerdem konzentriere mich auf meinen Job: Ich komme vom Training nach Hause, ruhe mich ein bisschen aus, bereite das nächste Training vor, gehe wieder in die Halle, dann am nächsten Tag das Gleiche. Arbeit eben – wie jeder andere auch.

Dieser Rhythmus könnte bald vorbei sein. Ihr Vertrag läuft zum Saisonende aus, drei Niederlagen gegen Oldenburg würden das Ende Ihrer Zeit in Berlin bedeuten.

Ich denke nicht über meinen Vertrag nach, es geht jetzt in die entscheidende Phase. Wenn es vorbei ist – ich hoffe, so spät wie möglich –, werden wir sehen, wie es weitergeht. Ich mache mir keine Sorgen über die Zukunft.

In den Play-offs geht es immer wieder gegen denselben Gegner. Wird die Arbeit des Trainers da wichtiger oder unwichtiger?

Man kann Basketball ohne Trainer spielen, aber nicht ohne Spieler. Die Coaches sind zwar wichtig, allerdings nur bis zu einem bestimmten Punkt. Du kannst der beste Coach der Welt sein, aber alleine kannst du an der Seitenlinie zwar mit den Armen rudern – Punkte machen wirst du damit nicht.

Albas Geschäftsführer Marco Baldi hat lediglich das Erreichen der zweiten Runde als Ziel für die Play-offs ausgegeben, einige Spieler sprechen aber klar von der Meisterschaft. Was wollen Sie erreichen?

Meine Erfahrung sagt mir, dass man immer alles Mögliche wollen kann. Aber wir machen Pläne – und Gott lacht über uns. Es freut mich, wenn die Spieler Meister werden wollen, es freut mich wirklich. Aber zu diesem Zeitpunkt bedeutet es nichts, gar nichts. Was ist, wenn wir sagen, wir wollen Meister werden – und dann verlieren wir dreimal gegen Oldenburg? Man macht einen Schritt nach dem anderen, darum geht es in den Play-offs.

Das Gespräch führten Dominik Bardow und Lars Spannagel.

Muli Katzurin, 56,

trainiert Albas Basketballer seit Januar 2011. Am Sonnabend startet der Israeli

mit den Berlinern

gegen Oldenburg in die erste Runde der Bundesliga-Play-offs.

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