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Sport: Ehrenrunde des Sechsten

Japan verehrt den Hammerwerfer Koji Murofushi

Osaka - Wann hat es das eigentlich schon einmal gegeben, dass ein Sechstplatzierter auf eine Ehrenrunde geht? Dass ihn der Sieger einfach mitnimmt und ihm auch noch seine Fahne als gemeinsames Dach anbietet? Es kann nicht nur eine höfliche Geste des weißrussischen Siegers Iwan Tschikan gewesen sein, weil sich Höflichkeit nun einmal gehört gegenüber dem Gastgeber und Koji Murofushi zufällig Japaner ist. Es war eher eine Verbeugung gegenüber einem besonderen Athleten, denn Murofushi ist eine herausragende Persönlichkeit im Berufsstand der Hammerwerfer.

Außerdem musste ein so großes Finale wie dieses in Osaka auch besonders enden. „Ich glaube, das war das beste Finale, das es bisher gegeben hat“, sagte der Leverkusener Markus Esser, der Achter wurde, obwohl er immerhin 79,66 Meter geworfen hatte. Aber auch das war Teil des Außergewöhnlichen: Esser blieb als Einziger unter 80 Meter.

Was fehlte, war höchstens ein erfolgreicherer Ausgang für Koji Murofushi. Er sollte doch ein Gewinner dieser Weltmeisterschaften werden, und wenn schon nicht mit dem Titel, dann wenigstens mit einer Medaille belohnt werden. „Mein Ziel in diesem Wettbewerb ist es, die Leute glücklich zu machen“, hatte er vorher gesagt. Er hätte gerne ein Fest für die Japaner veranstaltet bei einer Weltmeisterschaft, die, nun ja, bisher nicht alle glücklich macht. Das Stadion ist nur zur Hälfte gefüllt, die Leichtathletik ist in Japan eher in Tokio oder Fukuoka zu Hause als in Osaka. Die nicht verkauften Karten wollen die japanischen Veranstalter lieber nicht verschenken. Das wäre schließlich Betrug an allen, die eine gekauft hätten. Dann beschweren sich auch noch die Deutschen ständig über Busse, die ihre Athleten nicht rechtzeitig ins Stadion fahren, und Helfer, die zwar höflich sind, aber nicht helfen können. Und dass es auch noch so heiß ist, dafür können sie nun einmal nichts in Osaka.

Also am besten ein japanischer Befreiungswurf als Gegenmittel von Koji Murofushi, denn er ist ihr heimlicher Held. Er lächelt viel, aber es ist nicht das japanische Lächeln, das höfliche und zuvorkommende, sondern eher ein schelmisches Grinsen, in dem viel Selbstbewusstsein steckt. Gerade deshalb bewundern sie ihn so sehr. Er ist einer von ihnen, und doch steckt in ihm so viel, was sie nicht an sich haben.

Murofushis Mutter Serafina Moritz kommt aus Rumänien und gewann als Speerwerferin 1968 die Junioren-EM. Zwei Jahre später lernte sie bei einem Wettkampf einen Hammerwerfer kennen: Shigenobu Mirofushi. Von ihm hat Koji die Leidenschaft zu seiner Disziplin geerbt; auch sein Vater ist eine japanische Hammerwurflegende. Fünf Mal wurde Shigenobu Mirofushi Asienmeister und hielt lange den japanischen Rekord – den sein Sohn Koji 1998 brach. Kojis Schwester Yuka hält die japanischen Rekorde mit dem Diskus und dem Hammer. Die größten Erfolge in der Familie hat aber Koji erreicht: Er ist 2004 Olympiasieger geworden, wenn er auch einer der unbekanntesten sein mag. Den Wettbewerb in Athen beendete er als Zweiter, aber weil der Ungar Adrian Annus sich für Doping als Beschleuniger entschieden hatte, wurde der Sieg nachträglich Murofushi zuerkannt.

Im Moment fehlt Murofushi etwas Wettkampfpraxis, weil er noch seine Diplomarbeit geschrieben hat – über das Flugverhalten des Hammers. So reichten seine 80,46 Meter, erzielt mit dem letzten Versuch, nur für Platz sechs. „Ich bin sehr glücklich, in so einem großartigen Wettbewerb dabei gewesen zu sein“, sagte er später. Da war Koji Murofushi wieder ganz Japaner. Friedhard Teuffel

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