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Sport: Ein Albtraum kehrt zurück

Beim 0:3 in Stuttgart erinnert bei Schalke vieles an das Fast-Meisterjahr 2001

Rudi Assauer schien in einer fernen Welt versunken, dabei stand er mitten im proppevollen Presseraum des Gottlieb-Daimler-Stadions. Ein Wirrwarr aus Stimmen und Stimmungen brauste nach dem 0:3 gegen den VfB Stuttgart um ihn herum. Doch Assauer wirkte scheinbar ungerührt. Vor dem Manager des FC Schalke 04 lag ein Blatt Papier mit der neuen Tabelle der Fußball-Bundesliga. Trotzig und verächtlich sah der Blick aus, den Assauer dem Ergebnisbogen schenkte. Dann ließ er seinen rechten Zeigefinger gegen die Papierkante krachen als wolle er in einem letzten verzweifelten Versuch die Tabelle des 28. Spieltages ins Wanken bringen.

Bald jedoch wandte sich der Mann aus Gelsenkirchen enttäuscht ab, weil sich am Status quo partout nichts ändern ließ. Schalke 04 hat nach der Niederlage drei Punkte Rückstand auf den Ersten Bayern München und spürt gleichzeitig den Verfolger VfB Stuttgart im Nacken, der mit nur noch zwei Punkten Abstand auf Rang drei lauert. Mit einem letzten Stoß schubste Assauer das Blatt weit von sich, als verabschiede er sich mit einem Schlag von allen Meisterschaftsträumen. Jedenfalls hat er sofort danach behauptet, er habe nie vom Titel geredet.

Die gesamte Schalker Fußballfamilie stellte bisher Gültiges in Frage. Im Kollektiv warf man hinderlichen Ballast von den Schultern, um fortan wenigstens noch als Außenseiter ohne Erwartungsdruck das Minimalziel Champions League erreichen zu können. Um den Titel müsse man sich „in dieser Verfassung keine Gedanken machen“, sagte Trainer Ralf Rangnick. „Wir müssen schauen, dass wir den direkten Platz für die Champions League behalten.“ Wie ein Schlag, der den ganzen Verein in seinen Grundfesten erschütterte, hatten die drei Tore des Stuttgarters Kevin Kuranyi an diesem Tag gewirkt.

Verzweiflung hatte vor allem die Erkenntnis hervorgerufen, 90 Minuten nicht in der Lage gewesen zu sein, sich zu wehren und zurückzuschlagen. Fast apathisch hatten sie in Hälfte zwei alle Angriffe der Schwaben ertragen. So nervös habe er seine Mannschaft noch nie erlebt, stellte Rangnick fest. Er flüsterte in diesem Moment als gehe es um die Bewältigung eines bösen Traums, dessen Ausmaße es noch genau zu ergründen gilt.

Eine Spur zu eifrig bemühte sich Stürmer Gerald Asamoah zu versichern, die Niederlage habe nichts mit den Erlebnissen aus dem Mai des Jahres 2001 zu tun. Schalke verlor damals am vorletzten Spieltag 0:1 in Stuttgart und gab am Ende auf dramatische Weise den ersehnen Titel aus der Hand. Man dürfe sich jetzt nicht in die Ausrede flüchten, von bösen Erinnerungen bezwungen worden zu sein. Einflüsse aus der Vergangenheit aber konnten die frustrierten Verlierer nur mühsam ausschließen. Wobei nicht endgültig geklärt ist, ob die Magen-Darm-Verstimmung, die den früheren Stuttgarter Marcelo Bordon in der Nacht vor dem Spiel befiel, mit dessen Rückkehr an seinen alten Arbeitsplatz zusammenhing. „Der hing die Nacht am Tropf, da läufst du am Tag danach keine 400 Meter mehr“, sagte Assauer und berichtete von Schweißausbrüchen und einer schlaflosen Nacht. Bis zum Ende der Saison fällt nun auch noch Christian Pander aus, der sich in Stuttgart das Innen- und das Kreuzband anriss.

Bordon flutschte der Ball nach Christian Tifferts Flanke in der 16. Minute durch die Beine, und er musste zuschauen, wie Kevin Kuranyi nach fast 600 Minuten ohne Tor wieder jubelte. Vielleicht, orakelte Stuttgarts Trainer Matthias Sammer, sei Bordon von Sentimentalität ergriffen worden. „Das passiert manchmal, wenn man in die alte Heimat zurückkommt. Das ging mir auch immer so, wenn ich mal nach Dresden zurückkam.“

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