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Sport: Ein Denkmal wird gestürzt

Der Rücktritt des erfolgreichen Skisprung-Bundestrainers Reinhard Heß: Chronologie eines Machtkampfes

31. Dezember 2002, Eibsee: Wolfgang Steiert sitzt in der Kaminbar des Hotel Eibsee an einem Holztisch und hat vier Stunden vor dem Jahreswechsel seinen großspurigen Abend. Der Kotrainer der deutschen Skisprung-Nationalmannschaft droht mit Abwanderung, wenn ihm der Verband einen Wunsch nicht erfülle. „Man muss für andere Nationen offen sein“, erklärt Steiert, vergisst aber nicht zu ergänzen, warum es für den deutschen Skiverband nicht gut wäre, wenn er künftig Österreicher trainieren würde. „Sven Hannawald und Martin Schmitt sind so eingependelt auf ihren Trainer, es wäre interessant zu sehen, ob es auch anders funktionieren würde.“ Hintergrund der Drohung: Steiert möchte Bundestrainer werden.

2. Januar 2003, Innsbruck: Bundestrainer ist seit elf Jahren Reinhard Heß, und der kann vor dem dritten Springen der Vierschanzentournee noch nicht so recht glauben, was von Steierts Silvesteransprache überliefert wird. „Wir haben doch alle von den Erfolgen profitiert“, sagt Heß. DSV-Sportdirektor Thomas Pfüller wundert sich auch. „Reinhard Heß könnte von mir aus noch zehn Jahre bleiben.“ Wie sich zeigen wird, geht es nicht nach Pfüllers Willen.

6. Januar 2003, Bischofshofen: Heß bleibt der Abschlusspressekonferenz der Vierschanzentournee fern, und auch bei RTL lässt er sich nicht blicken. Der 57-Jährige hatte das Fernsehen während der Tournee kritisiert. Der Medienrummel liegt ihm nicht. „Vor drei Jahren fand ich es schrecklich, das gebe ich ehrlich zu“, sagt Heß. Steiert hingegen ist ein Mann der Medien. Er hat gute Kontakte zu RTL und zur „Bild“-Zeitung. Das alles hängt vielleicht nicht unmittelbar mit den Ereignissen zusammen, die noch kommen, aber unwichtig ist es auch nicht. RTL zahlt 70 Millionen Euro dafür, dass es fünf Jahre lang Skispringen überträgt.

24. März 2003, Planica: Kaum ist die Saison beendet, tritt der Machtkampf offen zu Tage. „Es steht fest, dass sich etwas ändern muss und wir neue Impulse brauchen“, sagt Martin Schmitt. Das schlechte Abschneiden der deutschen Mannschaft bei der Weltmeisterschaft macht Heß angreifbar. Er spürt, dass sich etwas ändert. „Eigentlich kann man so nicht aufhören“, sagt er, „aber ich bin nicht Don Quichotte und kämpfe gegen Windmühlen in meinem Umfeld.“

12. April 2003, Suhl: Die Windmühlen siegen: Reinhard Heß gibt auf. „Ich habe die Entscheidung schon vor einer Woche getroffen“, sagt der erfolgreichste Skisprung-Bundestrainer aller Zeiten. Damit kommt er lediglich seiner Absetzung zuvor. Die wichtigsten seiner Skispringer forderten seinen Rücktritt. Besonders Hannawald soll sich in einem Gespräch mit Sportdirektor Pfüller hervorgetan haben. „Heß oder ich“, soll der Star erklärt haben. Dabei war der väterliche Trainer derjenige, der zu Hannawald stand, als dieser noch nicht die Vierschanzentournee gewonnen hatte und aus dem A-Kader zurückgestuft werden sollte. In der Biographie des Bundestrainers hat Hannawald noch gesagt: „Ich bin stolz, dass gerade Reinhard Heß unser Cheftrainer ist.“ Inzwischen findet Heß: „Hannawald ist die Riesenenttäuschung meiner Karriere schlechthin.“

16. April 2003, Planegg: Der DSV will die neue Trainerstruktur bekannt geben. Es heißt, Wolfgang Steiert solle neuer Bundestrainer werden.

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