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Sport: Ein ganz besonderer Experte

Hauptangeklagter im „Hoyzer-Prozess“ ist der Kroate Ante S. – als mutmaßlicher Drahtzieher

Berlin - Mirko Marjanovic steht hinter der Theke und poliert einen Zapfhahn. Dann sagt er: „Der Ante war ein sehr gut erzogener Mann. Er war immer sehr nett und freundlich.“ Der Wirt des Ziegelhof, Vereinslokal des FC Spandau, schüttelt nur den Kopf. Er kennt Ante S. seit Kindheitstagen. Toni Petrina steht auf den Zuschauerrängen im Stadion des BFC Preussen, unten spielt der BFC gerade in der Fußball-Oberliga gegen Türkiyemspor. „Ante ist sehr höflich und hilfsbereit. Die Nachrichten über ihn haben mich wie eine Bombe getroffen“, sagt er. Petrina ist Erster Vorsitzender der Fußball-AG Oberliga/Regionalliga, er kennt Ante S. seit vielen Jahren. Der Zocker mit den guten Manieren, so muss man sich Ante S. wohl vorstellen. Dieser nette, hilfsbereite, 29-jährige Kroate gilt als Drahtzieher im Wettskandal. Er ist der Hauptangeklagte im so genannten Hoyzer-Prozess, er soll den Berliner Schiedsrichter Robert Hoyzer zu den Manipulationen angestiftet haben. Teilweise hat er schon ein Geständnis abgelegt. Wer aber nun wen konkret angestiftet hat, ist noch unklar. Das muss der Prozess ergeben.

Nur eins steht fest: Ante S., der Student der Betriebswirtschaft, jonglierte bei seinen Wetten mit Millionen. Zwei Millionen Euro soll er allein durch die manipulierten Spiele erhalten haben. Nachdem er im Januar vor dem Berliner Café King in Charlottenburg verhaftet worden war, haben die Ermittler jedenfalls enorme Summen auf seinen Konten festgestellt. Ein Anlagekonto mit 549 890 Euro, ein Girokonto mit 504 164,99 Euro, ein weiteres Konto mit 932 369,40 Euro. Außerdem hatte sich Ante S. 2004 einen Porsche für 173 754,32 Euro bestellt.

Dass Ante S. ein Zocker ist, war in Szene-Kreisen des Fußballs bekannt. Auch Toni Petrina wusste das. „Sein Bruder Milan hat mir das gesagt. Er hat erklärt: Ante ist ein Experte“, sagt er. Aber Petrina dachte an kleine Summen, an Wetten, wie sie millionenfach gesetzt werden. Dass Ante S. ein ganz besonderer Experte war, das ahnten allerdings auch Ermittler des Berliner Landeskriminalamtes schon vor mehr als einem Jahr. Mehrere Banken hatten „Geldwäsche-Verdachtsanzeigen“ gegen Ante S. erstattet. Die Fahnder machten dann auch verblüffende Entdeckungen. Zwischen März und Juni waren auf einem Konto mehr als vier Millionen Euro bewegt worden. Sehr viel Geld für einen Studenten. Doch Ante S. beteuerte, das Geld stamme aus regulär verdienten Wettgewinnen. Das Gegenteil konnte ihm nicht nachgewiesen werden. Die Ermittlungen wurden eingestellt.

Ante S. jedenfalls konnte in Ruhe weiterzocken. Und er verfolgte zumindest bei den Spielen, die manipuliert wurden, was auf dem Platz abging. So saß er zum Beispiel bei der Zweitliga-Partie LR Ahlen – Wacker Burghausen auf der Tribüne. Robert Hoyzer kassierte nach eigenen Angaben 30 000 Euro, weil er so gepfiffen hatte, dass Ahlen gewann. Aber der Profizocker mit den Millionen-Gewinnen entwickelte sich außerhalb seines engsten Kreises nie zum großen Selbstdarsteller, der Sprüche klopft und Lokalrunden wirft. „Er hat oft nur still zugehört, wenn wir im Café King in der Gruppe zusammen waren“, sagt einer, der häufig mit ihm am Tisch saß. „Und wenn jemand dabei war, den er nicht kannte, dann wurde er noch ruhiger. Aber er beobachtete dann sehr genau.“

Die große Respektsperson im Hause S. war Milan, sagt Petrina. „Ante hat heute noch Achtung vor ihm.“ Milan, ein früherer hoch talentierter Fußballer, wollte, dass aus seinem jüngeren Bruder ein guter Fußballer wird. „Der Ante war sehr talentiert“, sagt Petrina. Er hat den jungen Kroaten beim Tempelhofer Verein Croatia kennen gelernt. Dort war Petrina jahrelang sportlicher Leiter. „Als Ante 20 Jahre alt war, hat er Milan die Tasche getragen.“ Ante spielte schon als 18-Jähriger in der Regionalliga, ein Mittelfeldspieler mit Perspektiven. „Aber später hatte er keine Lust mehr zu trainieren“, sagt Petrina. Ante S. landete bei mehreren Mannschaften, darunter Hertha 06 und BAK, und jedes Mal hätten die Trainer danach die gleichen Kommentare abgeben, sagt Petrina. „Schade, sehr schade, dass da einer so sein Talent vergibt.“ Schließlich landete er in der zweiten Mannschaft von Croatia. Dort ist das Café King Hauptsponsor, und als Croatia-Spieler ins Café kamen, da „gab der Ante schon mal eine Lage aus“, sagt Petrina. Der 56-Jährige wunderte sich nicht, dass sich Ante S. so etwas leisten konnte. „Ich dachte, er bekommt das Geld über Milan.“

Großzügig. So kennt auch Mirko Majanovic seinen Landsmann Ante S. Marjanovic und Milan S. sind auch noch Automatenaufsteller. Ante S. half ihnen und so trafen sich Marjanovic und Ante S. oft im Ziegelhof. „Der Ante war schon geschäftstüchtig“, sagt Marjanovic. „Wenn man Automaten aufstellt, muss man zu Wirten ein gutes Verhältnis haben. Da muss man mal auch einen ausgeben. Das hat er gemacht.“

Toni Petrina kann die ganze Sache für sich immer noch nicht richtig einordnen: „Wenn er es gemacht hat, soll er ins Gefängnis. Aber bevor er nicht verurteilt ist, halte ich ihn für unschuldig.“

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