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Sport: Ein ganz normaler Trainer

Ottmar Hitzfeld steht in München in der Kritik – und ist hilflos

Von Detlef Dresslein

München. Äußerlich ist alles wie immer. Ottmar Hitzfeld ist bestens gekleidet, er freut sich, oder er schimpft am Spielfeldrand, je nach Ereignislage. Und er gibt bei den vielen Presseterminen stets im gewohnten Tonfall – höflich, aber nichts sagend – die immer gleichen Antworten. Das ist so seit viereinhalb Jahren, solange wie Hitzfeld nun schon beim FC Bayern München unter Vertrag steht. Doch schon im vergangenen Jahr begann etwas, das man vorher nicht gekannt hatte: Der Trainer wird auch kritisiert. Und dem macht die neue Situation zu schaffen.

Es ist nicht das erste Mal, dass Hitzfeld unter Druck steht. Aber diesmal wird es unangenehm. In den ersten drei Münchner Jahren war fast alles toll. Meister im ersten Jahr, dazu die unglückliche Last-Minute-Niederlage gegen Manchester im Finale der Champions League, Meister im zweiten Jahr, Meister im dritten Jahr und dazu die europäische Krönung. Danach konnte es nur abwärts gehen. Und es ging abwärts. Im vergangenen Jahr erreichte das Team Platz drei und musste sich via Qualifikation in die Champions League kämpfen.

Anders als seinerzeit in Dortmund, wo das Präsidium 1997 nach ähnlichen Erfolgen des Trainers Hitzfeld vor der Wahl stand, ihn oder die Mannschaft auszuwechseln, und den erfolgreichen Ottmar zum Sportdirektor weglobte, wollte man es in München handhaben. Denn einen geeigneteren Trainer für die Münchner Planstelle gibt es derzeit in Deutschland nicht. Also wurde nach den Erfolgen von 2001 die Münchner Mannschaft runderneuert, mit einem Jahr Verzögerung allerdings, weil Stefan Effenberg noch nicht gehen, Michael Ballack und Sebastian Deisler noch nicht kommen wollten. Also verging das Fußballjahr unter besonderen Bedingungen: Jeder wusste, es würde schlechter werden als das vorangegangene, aber keiner wollte es sagen. Und obwohl auch Ottmar Hitzfeld Schonung genoss, gab es immer wieder erste Ansätze von Kritik. Vor allem, als er das Mannschaftsgebilde auseinanderbrach, um den genesenen Effenberg wieder einzufügen. Aber allen war immer klar: Es gilt erst wieder die Saison 2002/2003.

Und nun? Hitzfeld bemühte in den vergangenen Wochen die Floskeln, die in der Branche zwar üblich sind, von Hitzfeld aber nie benutzt wurden. „Wir stehen mit dem Rücken zur Wand“, oder „Uns steht das Wasser bis zum Hals", sagte er immer nach verlorenen Spielen. Trotz des guten Starts in der Bundesliga, der erst in Leverkusen endete, war und ist man nervös in München. Denn in der Europaliga sieht es böse aus: ein Punkt nach zwei Spielen, und nun geht es zweimal gegen den AC Mailand (erstes Spiel heute ab 20 Uhr 45 im Olympiastadion).

Das Team ist in einer mäßigen Verfassung. „Uns fehlen Leidenschaft, Cleverness und Engagement“, sagt Vorstand Karl-Heinz Rummenigge. Und: „Ich bin sehr neugierig, was gegen Mailand passiert.“ Auch wenn öffentliche Kritik am Trainer an der Säbener Straße nach wie vor undenkbar ist, so wird man ihm intern genau gesagt haben, was man „vom besten Bayern-Kader aller Zeiten“ (Rummenigge vor Saisonbeginn) erwartet. Und das dürfte mehr sein, als sich rechnerisch und spielerisch derzeit abzeichnet.

In dieser Saison könnte es Hitzfeld zum ersten Mal bei den Bayern so gehen wie einem normalen Trainer bei einem anderen Verein: Bei Misserfolg wird über Trennung diskutiert. Ungewohnt heftig wurde die Mannschaft nach der Pleite gegen La Coruña angegangen, und nach der Rückkehr aus Leverkusen gab es sofort eine siebzigminütige Krisensitzung in der Kabine. „Wir haben Klartext geredet, ich habe einige Spieler stark kritisiert“, sagte Hitzfeld. Es ist, als erreiche er die Mannschaft nur über die ganz heftige Ansprache. Früher ging das noch anders.

Eines wird Ottmar Hitzfeld bis zum Saisonende wohl nicht mehr los: die Last seines schwersten Jahres in München.

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