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Sport: Ein Herz für Krankenschwestern

Noreena Hertz will alle englischen Fußballprofis überreden, ein Tagesgehalt für einen guten Zweck zu spenden

Von Markus Hesselmann

Es geschah bei einem der drei Fußballspiele, die Noreena Hertz in ihrem Leben gesehen hat. WM 2006, Vorrunde in Köln, England gegen Schweden: Die britische Menschenrechtsaktivistin schaut sich im Stadion um, erblickt neben sich Roman Abramowitsch in einer Vip-Box. „Ich habe an die Scheibe geklopft und ihm zu verstehen gegeben, dass ich mal reinkommen möchte“, erzählt Noreena Hertz. Der russische Milliardär und Besitzer des FC Chelsea hatte nichts dagegen. Da die Wirtschaftswissenschaftlerin Hertz in den Neunzigern für die Weltbank in Moskau arbeitete und gut Russisch spricht, kam es zur Plauderei.

„Ich habe keine Ahnung vom Fußball“, sagt Noreena Hertz. Doch ihr wurde klar, dass sie die Popularität des schönen Spiels und das viele Geld, das in ihm steckt, für eine Kampagne nutzen muss. Statt Bono oder Sir Bob Geldof sollten diesmal Thierry Henry oder Sir Alex Ferguson ihre Partner sein. Hertz rief die Aktion „Mayday for Nurses“ ins Leben, um schlecht bezahlten britischen Krankenschwestern zu helfen. Bis zum 13. Mai, dem Ende der Saison in England, will sie sämtliche Profis der Premier League davon überzeugen, das Gehalt eines Tages an einen Fonds für arme Krankenschwestern zu überweisen. Der Name der Aktion ist ein Wortspiel: Mayday steht für den Stichtag im Mai, aber auch für das internationale Notsignal, das Piloten aussenden, wenn ihr Flugzeug abzustürzen droht.

Doch warum britische Krankenschwestern? Gibt es auf der Welt nicht Millionen Menschen, denen es noch viel schlechter geht? „Ich hatte schon viel zur Globalisierung gemacht“, sagt Noreena Hertz. „Da wurde es Zeit, sich mal zu Hause umzuschauen.“ Die 39-jährige Professorin, von der in Deutschland etwa das Buch „Wir lassen uns nicht kaufen!“ erschienen ist, redet sich in Rage. „Es gibt eine Krise. Die wichtige Arbeit der Krankenschwestern wird deutlich schlechter bezahlt als die Arbeit in anderen Berufen“, sagt sie. Mit den 37 000 Euro Jahresgehalt, die Krankenschwestern durchschnittlich verdienten, käme man bei den hohen Lebenshaltungskosten in Großbritannien kaum über die Runden. „Außerdem werden bei uns im Gesundheitssystem dauernd Jobs abgebaut.“ Viele ausgebildete Krankenschwestern müssten als Verkäuferinnen oder Kellnerinnen arbeiten. „Das wird dazu führen, dass wir in vier Jahren zu wenig Krankenschwestern haben, weil immer weniger junge Menschen diesen Beruf ergreifen möchten.“

Bislang läuft die Kampagne eher schleppend. Zunächst hatte ein gutes Dutzend Spieler zugesagt zu spenden. Hinzu kam gestern der Kader des FC Fulham. Das macht jetzt 42 Spieler. Noreena Hertz hofft weiter. „Ich will alle 556 Profis.“ Arsenals Spielführer Thierry Henry macht mit, Hertz spricht vor allem die Kapitäne an. „Die helfen dann, den Rest der Mannschaft zu überzeugen.“ Auch Trainer wie Manchester Uniteds Alex Ferguson unterstützen die Aktion.

Noreena Hertz hat als Nächstes den FC Chelsea im Auge. Da könnte einiges zusammenkommen: Der Verein gibt laut BBC rund 170 Millionen Euro im Jahr für Spielergehälter aus. Noreena Hertz geht davon aus, dass sie mit bis zu 22 000 Euro rechnen kann, wenn gut bezahlte Fußballprofis ein Tagesgehalt spenden. Roman Abramowitsch hat seinen Einfluss als Klubbesitzer bislang aber nicht allzu erfolgreich geltend gemacht. Noch hat kein Chelsea-Spieler zugesagt. Einer liegt Noreena Hertz besonders am Herzen: „Michael Ballack wäre ein großer Gewinn.“ Bis auf Moritz Volz vom FC Fulham halten sich die deutschen Profis bislang zurück oder wissen noch nichts von der Kampagne. Vom Tagesspiegel nach „Mayday for Nurses“ gefragt, antwortete Nationaltorwart Jens Lehmann vom FC Arsenal, dass er schon eine Reihe karitativer Organisationen unterstütze und diesmal nicht dabei sein werde.

Trotz aller Schwierigkeiten kann sich Noreena Hertz eine ähnliche Kampagne auch in Deutschland gut vorstellen. Schließlich geht es Krankenschwestern dort auch nicht besonders gut. „Den Regierungen sollte eines bewusst sein“, sagt Noreena Hertz. „Es gibt Leute, die dieses Thema öffentlich aufgreifen.“

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