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Sport: Ein leises Jubiläum - Zehn Jahre nach der Proklamation gibt es wenig Rummel um den einstigen Box-Weltmeister

Anlass zu einem rauschenden Fest wäre eigentlich gegeben. So wie am Mittwoch, dem 6.

Anlass zu einem rauschenden Fest wäre eigentlich gegeben. So wie am Mittwoch, dem 6. Dezember 1989, als in Las Vegas Gouverneur Bob Miller den "Max-Schmeling-Day" für den US-Bundesstaat Nevada ausrief. Das Jubiläum wird jedoch im Gegensatz zur pompösen Proklamation keinerlei Rummel auslösen. "Max will das nicht", meint Henry Lewin. Dabei wäre es für den Hotelier ein Leichtes, in seiner zweiten Heimatstadt San Francisco auch die Party für den runden Ehrentag zu zelebrieren. Schon vor einem Jahrzehnt hatte sich der reiche Unternehmer als grandioser Gastgeber erwiesen. Dem in Potsdam geborenen Juden gebührt der Verdienst, dass es den Max-Schmeling-Tag gibt.

Jahrelang habe er sich den Kopf zerbrochen, wie er und sein Bruder Werner dem einzigen deutschen Box-Weltmeister im Schwergewicht danken könnten. Schließlich habe er ihnen das Leben gerettet, erzählt Lewin. Den jetzt 76-Jährigen beschäftigt noch immer ihre Geschichte, die 1938 in Berlin am Tag der Reichskristallnacht geschrieben wurde. "Am frühen Morgen des 9. November hatte unser Vater bei Max angerufen und ihn angefleht: Bitte bring die Kinder bei dir in Sicherheit", erinnert sich Lewin. 15 war er damals. Die Antwort des mit ihnen eng befreundeten Faustkämpfers: "Bring die Jungs her!" "Um neun Uhr fuhren wir zum Anhalter Bahnhof ins Hotel Excelsior, wo Max gerade residierte. Er empfing uns, als wären wir seine eigenen Kinder. Eine Nacht schliefen Werner und ich auf dem Fußboden, denn es gab nur eine Couch", berichtet Lewin. In der Schule wurde er von anderen Kindern mit Pferdeäpfeln beworfen und verprügelt. Manchmal mehrmals am Tag.

48 Stunden nach den Pogromen brachte sie der einstige Box-Weltmeister mit seinem Horch-Cabriolet gegen Mitternacht zu den Eltern zurück, die sich vor den Nazis bei Freunden in einem anderen Hotel versteckt hielten. "Als wir durch die Dunkelheit zum Auto gingen", schildert Lewin, "wimmelte es auf der Straße von Gestapo-Leuten. Die uniformierten Männer guckten uns an, als wüssten sie genau, dass wir Juden sind. Doch keiner traute sich, den Boxchampion anzusprechen." Obwohl das Idol bei Hitler zu dieser Zeit schon in Ungnade gefallen war, ausgelöst durch die vier Monate zuvor im WM-Kampf gegen den Schwarzen Joe Louis erlittene K.-o.-Niederlage.

Kurz darauf emigrierten die Lewins nach Shanghai. Der Vater durfte sein Vermögen gegen vier Schiffstickets einlösen. Viele Verwandte hingegen kamen in Konzentrationslagern um. Von China flüchteten die Lewins 1947 nach Amerika, wo sie in San Francisco ein zu Hause fanden. Henry Lewin arbeitete sich bis zum Vize-Chef der Hilton-Hotel-Kette hoch. Sein Bruder war in der gleichen Branche ähnlich erfolgreich. Die Brüder suchten den Kontakt mit Schmeling. "Max dachte erst, wir wären wie viele andere, die behaupteten, frühere Freunde zu sein und dadurch nun finanziell von ihm unterstützt werden könnten." Jahrzehnte vergingen, bis sich Vertrauen einstellte und Schmeling der Einladung von Lewin folgte.

"Ich habe Weiße nicht gern, aber ihn mag ich sehr", sagte Mike Tyson, als er bei der Proklamation des Schmeling-Tages an dessen Seite Platz nahm. Zuvor hatte ein Gast durch den Saal gebrüllt: "Mister Lewin, die haben dich aus Deutschland rausgeschmissen. Der Mann ist ein Nazi, dem dürfen Sie nicht die Ehre erweisen." Der Schreihals war ganz ruhig, als er von der Episode erfuhr, die Lewin mit den Worten schloss: "Max is my Hero".

Gunnar Meinhardt

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