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Sport: „Ein Spiel ist keine Gleichung“ Mathematiker Mehrmann über Fußball in Perfektion

Herr Mehrmann, was ist effektiver Fußball?Schrecklich.

Herr Mehrmann, was ist effektiver Fußball?

Schrecklich.

Das sagen Sie als Mathematiker?

Das sage ich als Fußballfan. In der Mathematik heißt Effektivität, mit minimalem Aufwand einen maximalen Ertrag zu erzielen. So hat die Nationalelf vor Jürgen Klinsmanns Zeiten gespielt. Aber das war ja nicht schön, da fehlte die Emotion.

Dem Bundesliga-Tabellenführer Hertha BSC wird ein effektives Spiel nachgesagt. Ist das also gar kein Kompliment?

Es ist der falsche Begriff. In der Effektivitätsforschung sieht ein perfektes Spiel so aus: Zehn Mann fangen am eigenen Strafraum alle Angriffe ab und schlagen den Ball nach vorn – um irgendwann den Stürmer zu finden, der dort alleine herumrennt und das entscheidende 1:0 schießt.

Das klingt eher uneffektiv.

Im Fußball ist Effektivität schwerer zu fassen als in technischen Bereichen. All die Statistiken über Torchancen und ihre Verwertung machen mathematisch keinen Sinn. Wenn man für wenige Chancen viel Kraft aufwendet, ist man nicht effektiv. Es ist auch Psychologie dabei: Hertha lässt sich nicht aus der Ruhe bringen, agiert souverän. Und vieles ist nicht messbar: wenn ein Spieler einen schlechten Tag hat oder der Rasen an der Stelle, auf der der Ball aufkommt, uneben ist. Ein Spiel ist eben keine Gleichung; abgesehen vom Schach.

Rasenschach gibt es also nicht?

Im modernen Fußball gibt es eine Systematisierung in der Trainingsarbeit, auch im Spielablauf – etwa in Hoffenheim oder Leverkusen. Aber es gibt kein System, das Erfolg und Emotion maximieren kann.

Ihre Forscher im Matheon optimieren sogar Berlins U-Bahn-Pläne. Kann man nicht auch ein Fußballspiel optimieren?

Optimieren heißt: Der FC Bayern kauft der Konkurrenz Spieler weg und setzt sie auch mal auf die Bank. So nimmt man anderen Klubs systematisch Ressourcen. Das ist effektiv, aber ich mag das nicht.

Kann Effizienz überhaupt begeistern?

Präzise Pässe, klare Chancenverwertung: Ein vollendetes Spiel strahlt Eleganz aus – wie Dressurreiten. Große Emotionen löst das nicht aus – wie die Mathematik.

Beim Fußball müssen die Nerven flattern?

Genau. Deshalb bin ich Fan von Arminia Bielefeld.

Das Gespräch führte Robert Ide.

Volker Mehrmann, 54, ist Mathematiker an der Technischen Universität Berlin und Chef des Forschungszentrums Matheon. Dort erkunden

200 Wissenschaftler auch die Effektivität.

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