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Sport: Ein Streit dauert 210 Minuten

Stiftung Warentest und WM-Planer im Bundestag

Berlin - Erste Halbzeit: Holger Brackemann zeigt eine Bildpräsentation. Es sind Stadien zu sehen in Hannover und Nürnberg; Stadien, in denen es Fluchttore gibt, über die Fans bei einer Panik auf das Spielfeld gelangen können. Stadien der Fußball-Weltmeisterschaft, die von der Stiftung Warentest beim von Brackemann geleiteten Sicherheitstest für gut befunden wurden. Danach Bilder des Berliner Olympiastadions: der unüberwindbare Reportergraben zwischen Spielfeld und Tribüne. Treppenstufen, die ins Nichts führen. Darüber die Bemerkung der Stiftung Warentest: „Ohne Worte.“

Die Abgeordneten des Sportausschusses im Deutschen Bundestag kamen am Mittwoch kaum aus dem Staunen heraus. Fast ein Dutzend Kamerateams hatten sich vor dem Sitzungssaal in Berlins Mitte aufgebaut, um einen sportpolitischen Showdown festzuhalten. Zum ersten Mal nach Ausbruch des Zerwürfnisses zwischen den WM-Organisatoren und der Stiftung Warentest über die Sicherheit der WM-Stadien kamen die Kontrahenten zusammen. Der Vorsitzende des Sportausschusses Peter Danckert (SPD) hatte den Schlichtungsversuch „im Interesse der Fans“ initiiert. Doch zunächst überhäuften sich die Beteiligten mit Vorwürfen – dreieinhalb Stunden lang. Hauptstreitpunkt waren die vier Stadien, die das unabhängige Testinstitut wegen Sicherheitsmängeln mit einer „Roten Karte“ bedacht hatte: Berlin, Leipzig und Gelsenkirchen wegen fehlender Fluchtwege auf den Rasen, Kaiserslautern wegen mangelnden Brandschutzes.

Zweite Halbzeit: Horst R. Schmidt hebt den Zeigefinger. „Mit der Debatte hat die Stiftung einen Imageschaden für das Land billigend in Kauf genommen“, sagt der Vizepräsident des WM-Organisationskomitees. Er hebt hervor, dass die Sicherheitskonzepte der Stadien monatelang mit den Behörden abgestimmt worden seien. Dies könne man nicht mit eintägigen Inspektionen vom Tisch wischen. „Ich fordere die Stiftung auf, vor einem Gespräch ihre eigenen Fehler einzugestehen“, sagt Schmidt. Da kehrt Stille ein im Sitzungsrund.

Fast rührend mühten sich die anwesenden Politiker wieder und wieder um eine Schlichtung und Versachlichung. „Ich würde mir wünschen, dass das WM-Organisationskomitee die inhaltliche Kritik ernst nimmt“, mahnte Wolfgang Grotthaus (SPD). Seine Parteikollegin Dagmar Freitag forderte von den Warentestern, ihre Untersuchungsmethoden genau offen zu legen. „Beide Parteien sollten den Ball flach halten“, sagte schließlich CDU-Sportexperte Klaus Riegert. Sein Parteifreund, der stellvertretende Ausschuss-Vorsitzende Peter Rauen, konterkarierte dieses Vorhaben allerdings mit einer Brandrede gegen die Stiftung Warentest und ihre „unverantwortliche“ Untersuchung „unserer wunderschönen deutschen Stadien“.

Verlängerung: „Wir sind zu Gesprächen bereit“, sagt Holger Brackemann. „Wir sind zu Gesprächen bereit“, sagt Horst R. Schmidt. Dann sind 210 Minuten voller Gutachten und Gegengutachten zu Ende. Eine gerichtliche Auseinandersetzung ist abgewendet. Das Heft der Stiftung Warentest mit der brisanten Studie wird seit gestern an den Kiosken verkauft. Noch in diesem Monat wollen sich Stadionbetreiber, Organisationskomitee und die Stiftung zusammensetzen. „Ich bin sehr zufrieden“, sagt Peter Danckert abschließend in die Kameras. Dann gehen alle auseinander in die Berliner Nacht. Schmidt und Brackemann geben sich zum Abschied die Hand.

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