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Sport: Ein Weltmeister am Streckenrand

HOCKENHEIM . Kopfschütteln, immer wieder ungläubiges Kopfschütteln.

HOCKENHEIM . Kopfschütteln, immer wieder ungläubiges Kopfschütteln. Mika Häkkinen versteht in diesen Sekunden die Welt nicht mehr. Sein McLaren-Mercedes liegt mit zerquetschter Nase im Reifenstapel. Der Formel-1-Weltmeister aus Finnland schwankt in seinen Emotionen zwischen Niedergeschlagenheit und tiefem Durchatmen, dass er dem silbernen Wrack völlig unverletzt entsteigen konnte. Dieses Pech, das dem großen WM-Favoriten momentan an den Hacken klebt, ist so schnell nicht zu begreifen. Später, als das Ferrari-Formationsfahren bis zum Doppelsieg über die Bühne in Hockenheim geht, versucht auch Mercedes-Sportchef Norbert Haug seinen besten Mann im britisch-deutschen Team zu trösten, aber das zerknirschte Gesicht des blassen Häkkinen spricht Bände. "Das ist keine so tolle Geschichte, die hier abgelaufen ist", sagt er, sich mühsam zurückhaltendend.Sein kurioser Unfall am Sonntag Nachmittag auf dem Hochgeschwindigkeitskurs beim Großen Preis von Deutschland wird Konsequenzen haben. Häkkinen hat alles richtig gemacht und steht am Ende dennoch mit leeren Händen da. Das ist hart. In einer Situation, die durch den Ausfall von Ferrari-Star Michael Schumacher eindeutig die Silberpfeile im Kampf um die Krone des Motorsports in Vorteil bringen sollte, erlebt das Team McLaren-Mercedes den völlig unerwarteten Absturz. Was zählt da schon der fünfte Rang für David Coulthard?In seinem neuen Vertrag für die kommende Saison soll "Flying Mika" angeblich eine Gehaltsaufbesserung von bisher sieben auf zehn Millionen Dollar bekommen. Aber für ihn stehen zur Zeit andere Dinge im Vordergrund. Da sind erst einmal die 13 Pannen in zehn Rennen für die beiden McLaren-Mercedes. Und dann kommt auch noch dieser Eddie Irvine mit seinen zwei Erfolgen in Spielberg und Hockenheim und schnappt ihm die sicher geglaubte WM-Führung weg, obwohl doch sein vermeintlich schärfster Rivale Michael Schumacher verletzt ausfällt. Wer soll das verstehen?Einer reibt sich bei dieser Kostellation die Hände: Bernie Ecclestone. Der allmächtige Formel-1-Boss bekommt Spannung, weiß natürlich auch, dass McLaren-Mercedes nunmehr mit noch größerer Vehemenz den Kampf um die Weltmeisterschaft führen wird. Reifenhersteller Bridgestone wird das zu spüren bekommen, nachdem sich in Hockenheim nicht nur bei Häkkinen im Rennen, sondern auch bei Coulthard im Qualifying die schwarzen Walzen beim Highspeed in brütender Hitze in ihre Bestandteile auflösten. So ist auch die Aussage von Mercedes-Sportdirektor Norbert Haug zu verstehen: "Ich glaube, wir haben eine exzellente Leistung gezeigt, was die Technik betrifft, die Belastung für den Motor, die Bremsen." Kein Wort von den Reifen. Dass seine Boxencrew bei Häkkinens erstem Stop den Tankschlauch nicht ansetzen konnte, fiel bei dem nachfolgenden Pech nicht mehr ins Gewicht. Für Haug ist die Marschroute bei noch ausstehenden sechs Rennen völlig klar: "Es ist nach wie vor alles offen. Wer jetzt denkt, dass es vorbei ist, der täuscht sich. Jetzt gehts erst richtig los."Das weiß auch Eddie Irvine. Die Nummer eins bei Ferrari hat im Finnen Mika Salo plötzlich einen ihm ergebenen Adjutanten auf der Rennstrecke. Absolut clever war es, wie der Vertreter von Michael Schumacher unbeachtet von den Fernsehkameras in einem Waldabschnitt auf dem Hockenheimring den Weg für seinen neuen Chef freimachte und diesem damit erst den Erfolg ermöglichte. Salo war die Entdeckung des Großen Preises von Deutschland. Verwunderlich wäre es nicht, wenn er auch im kommenden Jahr noch für Ferrari fahren würde. Makulatur wäre damit das seit Wochen in der Gerüchteküche gehandelte Menü: Nach diesem ginge Irvine zu Stewart und Brasilianer Rubens Barrichello im Gegenzug zu Ferrari.Von einem langweiligem WM-Verlauf kann jedenfalls nicht mehr die Rede sein. Vor allem dem Großen Preis von Ungarn in knapp zwei Wochen kommt eine besondere Bedeutung zu. Irvine hat sofort nach dem Erfolg in Deutschland betont, wie wohl Ferrari sich auf dem Hungaroring fühle. Auf dem kurvigen Kurs vor den Toren Budapests könne McLaren-Mercedes die aerodynamischen und motor-technischen Vorteile des Silberpfeils nicht so nutzen wie auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke von Hockenheim. Und im selben Atemzug verwies Irvine auch noch auf die Vorteile für das Rennen danach in Spa-Francorchamps. . .Nach wie vor verfügt McLaren-Mercedes über das beste Auto. Wenn da nicht die unheimliche Pannen-Serie wäre, die Mika Häkkinen seit Wochen quält. In Silverstone verlor einen Reifen, in Österreich schoss ihn Coulthard ab, in Hockenheim . . . Bis Budapest kann der Finne erst einmal abschalten von Ärger und Stress. Sein Arbeitgeber McLaren-Mercedes hat ihm Urlaub gewährt.

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