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Sport: Eine Abmeldung für Zimmer 213

Der Fußball-Zweitligist 1. FC Union testet einen Spieler nach dem anderen, hängen bleibt selten einer

Von Karsten Doneck

Berlin. Detlef Schneeweiß erschien gegen 21 Uhr an der Rezeption des Hotels Ramada-Treff. Und wurde gleich geschäftsmäßig. „Ich habe jemanden abzumelden“, sagte Schneeweiß der Dame hinter dem Tresen. Den Rest teilte der Betreuer des Fußball-Zweitligisten 1. FC Union nur noch in Stenogrammform mit: „Endene, Zimmer 213.“ Auf einem einfachen DIN-A4-Bogen wurde der mit Kugelschreiber sofort gestrichen. Die unangenehmere Aufgabe hatte zuvor schon Ivan Tischanski erledigt. Der Kotrainer hatte dem Kameruner François Herbert Endene-Elokan im Trainingslager in Schneverdingen die Kunde überbracht, dass sein Probetraining nunmehr beendet sei, er nicht überzeugt habe und deshalb wieder heimreisen könne.

Endene-Elokan soll die unerfreuliche Nachricht sehr gefasst aufgenommen haben. Sein Abschied verlief ähnlich unspektakulär wie seine Ankunft eine Woche vorher. Das Leben beim 1. FC Union geht weiter, als sei nichts gewesen. Endene-Elokan – das ist jetzt, über eine Woche später, auch nur noch ein Name, der bei Union schnell in Vergessenheit geraten wird.

Und selbst eingefleischte Fans der Köpenicker werden schon jetzt kaum noch mit Namen wie Raschid Djebaili oder Ndidi Anumnun etwas anfangen können. Aus den Augen, aus dem Sinn. Endene-Elokan, Djebaili und Anumnun waren drei der insgesamt sieben Stürmerkandidaten, die vor dieser Saison aus fernen, wenig kapitalkräftigen Ländern (Kamerun, Algerien, Nigeria) ankamen in der Hoffnung, über Union in die große Welt des Profifußballs vorzustoßen. Probetraining, Profivertrag und dann die große Karriere – es muss diese jungen Burschen so etwas wie Goldgräberstimmung treiben, dass sie, von Spielervermittlern gelockt, ihre Heimat verlassen, wie Vagabunden umherziehen, sich überall andienen – und, noch ehe sie fußballerisch richtig zum Zuge kommen, bittere Niederlagen einstecken müssen, indem sie wieder fortgeschickt werden.

Der Fußballer als Ware: Er ist austauschbar wie ein bei Karstadt gekauftes Oberhemd. Endene-Elokan war noch gar nicht weg, da klopfte schon der nächste bei Union an: Agostinho Luis dos Santos aus Angola. Der hat sich, wohl des besseren Erinnerungswertes wegen, gleich einen Künstlernamen zugelegt: Mateus. Auch der 21-Jährige wirkte im Trainingslager in Schneverdingen stets ein bisschen verloren unter all denen, die bei Union schon lange als Mannschaftskameraden zusammenarbeiten. Zumal da akute Sprachprobleme existierten. Mateus spricht fließend Portugiesisch. Und sonst nichts. Seine Kommunikation mit den Mittrainierenden waren daher arg begrenzt. Da half dann schon mal Unions Sreto Ristic aus. Der Torjäger spricht Spanisch, Serbo-Kroatisch, Deutsch, Englisch – und eben auch Portugiesisch. Und mit Yousef El Akchaoui, aus Rotterdam zu Union gestoßen, ist ein weiterer Mann zum Dolmetschen da. El Akchaoui kann sich ganz passabel in Französisch, Englisch, Niederländisch, Arabisch und Deutsch ausdrücken. „Wir sind eben eine Multikulti-Truppe, da schafft man es schon, sich untereinander vernünftig zu verständigen“, sagt Bernd Hofmann, Unions Vizepräsident. Trotzdem: Die Probanden bleiben immer nur Randfiguren.

Kommt einer wie Endene-Elokan aus Kamerun nach Deutschland zum Probetraining, übernimmt der Agent des Spielers in aller Regel die Flugkosten. Das heißt, er legt dafür das Geld aus. Kommt es zum Vertragsabschluss, muss der Spieler oft den Betrag zurückerstatten, oder die Summe wird einfach auf die Vermittlungsprovision draufgeschlagen. Der Verein kommt während der Probezeit für Kost und Logis auf.

Union wurde zur Kräftigung der Offensive unlängst auch Steffen Baumgart angeboten. Der Verein lehnte ab: Sportlich sei Baumgart interessant, aber zu teuer. Baumgart kommt halt aus der Bundesliga, von Hansa Rostock. „Wir wollen eine Truppe haben, die noch richtig erfolgsgierig ist“, sagt Hofmann. Bundesligaspieler, die plötzlich in der Zweiten Liga ranmüssen, erfüllen dieses Kriterium nicht unbedingt. Da weiß man beim 1. FC Union eben, was man an hier zu Lande noch unbekannten Spielern aus Kamerun, Angola, Algerien oder sonstwoher hat. „Wer von dort zum Probetraining kommt“, sagt Hofmann, „der will einen Job, der will seine Existenz sichern.“ Und notfalls schickt man diese Leute eben nach ein paar Tagen wieder nach Hause. Aus den Augen, aus dem Sinn.

Zwei, drei Dutzend Spieler haben sich in den letzten Jahren allein bei Union zum Probetraining vorgestellt. Nur Chibuike Okeke und Ferdinand Chifon blieben hängen. Chifon ist nach einem Jahr jetzt wieder getürmt, einfach abgehauen. An der Alten Försterei ist er nie so recht heimisch geworden.

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