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Fanartikel: Eine Klatschpappe geht um die Welt

Aus einer fixen Idee hat sich ein Industriezweig für Anfeuerungsinstrumente entwickelt. Der Ursprung ist nicht einwandfrei belegt.

Von Katrin Schulze

Ja, wie heißen sie denn nun? Klatschpappen, Faltkartons, Applausverstärker oder doch Fanklatschen? Gemeint sind die faltbaren Pappkartons, die sich bei so ziemlich allen Sportveranstaltungen – und nicht nur da – breit gemacht haben. Krach- und Stimmungs- und Werbemacher sollen sie sein. Die Klatschpappen, wie sie aus Mangel einer offiziellen Bezeichnung im Folgenden genannt werden, sind aus den Hallen und Stadien Deutschlands kaum noch wegzudenken. Aus einer fixen Idee hat sich nämlich längst ein lohnender Industriezweig entwickelt. „Die Geschäfte laufen sehr gut“, erzählt Ralf Stoffers. „Wir erhalten täglich Anfragen von interessierten Vereinen und Firmen.“

Stoffers arbeitet für eine große Sportmarketingagentur, die als Vorreiter der Klatschpappenproduktion gilt. Die Firma hat am 16. Oktober 2004 im Berliner Olympiastadion beim Spiel zwischen Hertha BSC und Bayer Leverkusen die ersten großen Stückzahlen der Pappen in Umlauf gebracht. 20 000 Exemplare klatschten den Berliner Bundesligisten damals zum ersten Heimsieg der Saison.

Zwar ist der exakte Ursprung der Klatschpappe nicht einwandfrei belegt, doch die dahinterstehende Idee ziemlich eindeutig: Wenn Fans zur Unterstützung ihrer Mannschaft Transparente in die Luft halten, können sie dabei keinen Lärm erzeugen. Gesucht wurde also ein Instrument, das Krach und Optik miteinander verbindet:  die Geburtsstunde der Klatschpappe. „Die Idee war so einfach wie genial“, sagt Stoffers. Hinzu kommt, dass die Flächen des Kartons auch als Werbemittel genutzt werden können – ein lukratives Geschäft für Sponsoren.

„Wir haben Sponsoren-Anfragen bis weit in die nächste Saison“, sagt Billy Flynn, Geschäftsführer des EHC Eisbären. „Es ist unglaublich, wie gut die Klatschpappe angenommen wird.“ Dabei war Flynn noch belächelt worden, als er vor der ersten Partie in der neuen Heimspielstätte des Berliner Eishockeyklubs auf die Idee kam, auf jeden Sitzplatz ein Papprechteck zu legen. Was soll das bringen? Und wissen die Zuschauer überhaupt, wie sie das Ding einsetzen sollen? Wussten sie – dank einer Falt- und Klatschanleitung am Rand des Kartons. Mittlerweile donnert der Klatschpappenlärm bei jedem Heimspiel der Berliner durchs weite Rund, die Eisbären zählen zu den vehementesten Verfechtern des Produkts. Ihr Klub-Eigner Philip Anschutz, Milliardär aus Denver, der das laut-bunte Instrument bei einem Play-off-Spiel kennen gelernt hatte, zeigte sich von dem Effekt sogar so beeindruckt, dass er die Klatschpappen künftig auch bei seinen Vereinen in den USA einführen will.

Die auf den ersten Blick so unscheinbar wirkende Pappe ist zum Exportschlager aufgestiegen: Beim Super-Bowl, dem medialen und sportlichen Großevent der National Football League, gab es für das Publikum nicht nur XXL-Hamburger, sondern auch XXL-Klatschen zum Anfeuern. Damit nicht genug. Obwohl „das Hauptaugenmerk auf Sport“ liegt, wie Stoffers sagt, zeigen sich immer mehr Interessenten aus anderen Gebieten. So soll das Produkt auch im Bundestagswahlkampf zum Einsatz kommen. Stoffers schmunzelt: „Für die Grünen haben wir auch eine Öko-Klatsche.“ Die Klatschpappe macht Politik. Schon bei den Streiks der IG-Metall protestierten die Gewerkschafter, natürlich, per Papp-Krachmacher. Und auch Barack Obama arbeitete im US-Wahlkampf damit.

Kein Wunder, dass es Firmen gibt, die sich mittlerweile auf die Herstellung und Verbreitung der Pappen spezialisiert haben und unzählige Variationen anbieten: unterschiedliche Papierstärken, mit Lack, ohne Lack, bunt, einfarbig – je nach Bedarf und Geldbeutel. „Der Umsetzung sind kaum Grenzen gesetzt“, sagt Stoffers. Im vergangenen Jahr hat seine Agentur bei Hertha sogar einen Kreativwettbewerb für die Gestaltung des Anfeuerungsmittels ausgerufen. „Alles zur Fanbindung“, sagt er in bestem Werbedeutsch. Denn sein Betrieb ist nicht mehr konkurrenzlos, da sich auch immer mehr Online-Druckportale die Beliebtheit des Produkts zunutze machen und kostengünstige Auflagen anbieten.

Der weltweite Siegeszug eines einfachen Pappkartons – ein Ende ist vorerst nicht in Sicht.

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