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Keine Fahrt nach Berlin. Der umstrittene Sportmediziner Klümper. Foto: pa/Sven Simon

© picture-alliance / Sven Simon

Sport: Eine krumme Geschichte

Der Deutsche Sportärztebund feiert in Berlin sein 100. Jubiläum – mit einer bizarren Festschrift.

Berlin - Armin Klümper scheint eher nicht willkommen zu sein beim Jubiläum. Der Deutsche Sportärztebund feiert zwar „100 Jahre Sportmedizin“, wie der heute beginnende Kongress in Berlin überschrieben ist. Doch der Sportarzt, der in den 1970er und 1980er Jahren in Freiburg fast die gesamte Elite der deutschen Leistungssportler betreute und 1987 ins Visier der Öffentlichkeit geriet, als die Siebenkämpferin Birgit Dressel verstarb, spielt keine Rolle bei den Feierlichkeiten, die insgesamt drei Tage dauern.

Auch in der Festschrift des Sportärztebundes, in der die historischen Ruhmestaten der sportmedizinischen Zunft verkündet werden, sucht man vergeblich nach dem Namen Klümpers. Herbert Löllgen, der Präsident des Sportärztebundes, hat das gegenüber dem Deutschlandfunk damit begründet, dass Klümper ja gar kein Sportmediziner gewesen wäre. Sondern Radiologe. Ein Argument, das so bizarr ist wie vieles, was die Festschrift bietet.

Selbstverständlich hat sich die deutsche Sportmedizin viele wissenschaftliche Meriten erworben. Aber speziell die Kapitel über die NS-Sportmedizin und die Kontinuitäten nach 1945 sind nicht weniger als ein geschichtspolitischer Skandal. Dass Hans Grebe, Präsident des Sportärztebundes zwischen 1957 und 1960, seine Dissertation bei Otmar von Verschuer schrieb, dem berüchtigten NS-Mediziner, und möglicherweise mit Präparaten aus Konzentrationslagern forschte, erfährt aus der Festschrift niemand. Auch die Beschreibung des Wirkens von Frowalt Heiss (Präsident 1950-52) ist ein reiner Euphemismus; dass er im Dritten Reich als Assistent unter SS-Arzt Karl Gebhardt arbeitete, verschweigt die Kurzbiographie. Und das sind nur zwei besonders gravierende Beispiele.

Aber die einseitige historische Bewertung beginnt schon mit dem „1. Kongress zur wissenschaftlichen Erforschung des Sportes und der Leibesübungen“. Zwischen dem 20. und 23. September 1912 wurde in Oberhof diskutiert über den „Einfluss dauernder körperlicher Leistungen auf das Herz“, den „Wert der Physiologie für die Leibesübungen“, und der Arzt Max Willner berichtete bereits über Dopingpraktiken bei Sechstagerennen. Die Gründung des „Deutschen Reichskomitees zur wissenschaftlichen Erforschung des Sports und der Leibesübungen“ betrachtet der Deutsche Sportärztebund am 21. September als seinen Geburtstag.

Dennoch ist Berlin als Standort logisch. Denn die geistigen Väter dieser Pioniertat wirkten allesamt in der Reichshauptstadt. Schon nach der Hygiene-Ausstellung 1911 in Dresden hatten die Mediziner Arthur Mallwitz und Georg Friedrich Nicolai die Idee zur Bildung einer solchen Gesellschaft entworfen. Eine Denkschrift, die Nicolai und der Stadtrat Adolf Gottstein verfasst hatten, propagierte die „Bedeutung des Sports für die Gesundheit des Einzelnen und für die Wohlfahrt des ganzen Volkes“ und den Nutzen der Sportmedizin. Man möge sich finanziell oder ideell beteiligen, warb das Duo in Briefen an Industrielle und Regierungsstellen, „sei es aus Begeisterung für den Sport und die Leibesübungen, aus Liebe zur reinen Wissenschaft oder endlich aus Sorge um die Lebens- und Wehrfähigkeit des deutschen Volkes“.

Das Problem der Festschrift liegt darin, dass vor allem Mallwitz, der spätere Sportärztebund-Präsident, der damals rassehygienischen Vorstellungen anhing, als Gründungsvater gewürdigt wird, nicht aber die Sonderrolle, die Nicolai laut dem Wissenschaftshistoriker Jürgen Court für die Entwicklungsgeschichte der frühen deutschen Sportwissenschaft einnimmt.

Das ist besonders heikel, da Nicolai, ein Freund Albert Einsteins und Hausarzt der Kaiserin, nicht nur in der Literatur als der „spektakulärste Pazifist seiner Zeit“ bezeichnet wird. Sondern er war auch Jude, der 1922, weil er sich durch Antisemiten diskriminiert fühlte, nach Südamerika emigrierte. Erik Eggers

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