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Sport: Einfach laufen lassen

Ungeachtet der Anschläge findet das Formel-1-Rennen in Silverstone statt – Antrieb ist eine Mischung aus Trotz und britischem Sportsgeist

Die Staus von Silverstone sind berüchtigt. Die Wartezeiten auf den Anfahrtswegen und vor den Einlassstellen zur Rennstrecke in der Nähe von London sind jedes Jahr während des Großen Preises von Großbritannien so immens, dass Formel-1-Chef Bernie Ecclestone schon mehrmals wütend mit einer Streichung des Rennens gedroht hat. Dieses Jahr dauert in Silverstone alles noch ein wenig länger, aber es besteht keine Gefahr, dass sich Ecclestone darüber beschweren wird. Begründet liegt der zusätzliche Zeitaufwand in den Taschenkontrollen, die als Reaktion auf die Terroranschläge in London genauso verstärkt wurden wie die Polizeipräsenz. Die Sprengstoffhunde sind in England angesichts permanenter Ängste vor Anschlägen der irischen Untergrundorganisation IRA ohnehin seit Jahren Routine. „Wir sind gerüstet, unsere Sicherheitsmaßnahmen wurden noch einmal verstärkt“, verkündete der Pressechef des britischen Rennens, John Horton. „Niemand muss Angst haben, nach Silverstone zu kommen.“

Die Botschaft kommt an. Die englischen Fans lassen die Kontrollen klaglos über sich ergehen. Es entspricht dem britischen Sportsgeist, sich auch von solchen Rückschlägen nicht entmutigen zu lassen.

Auch die Fahrer und ihre Teams gehen verhältnismäßig gelassen mit der Situation um. Am Donnerstagnachmittag saßen noch alle geschockt und betroffen vor den Fernsehgeräten im Fahrerlager – auch weil in der in vielen Bereichen noch immer stark englisch geprägten Formel 1 viele Beteiligte Verwandte oder Bekannte im 120 Kilometer entfernten London haben. Außerdem waren einige noch selbst kurz zuvor – teilweise genau zur Zeit der Anschläge – in London gewesen, wie etwa Michael Schumacher. „Es ist schon ein komisches Gefühl, darüber nachzudenken, dass Corinna und ich heute Morgen noch in London beim Frühstück saßen“, erzählte der Weltmeister. „Wenn man bedenkt, wie nah wir dran waren, dann macht man sich schon Gedanken. Auf der anderen Seite denkst du dir dann, dass es Schicksal ist. Es sollte eben so sein.“

Besonders gefährdet fühlt sich Schumacher nicht: „Nach diesen Geschehnissen glaube ich schon, dass man in England extrem darauf achtet, dass nicht noch etwas passiert. Auf der anderen Seite darf man sich an keinem Platz der Welt noch sicher fühlen.“ Es könne letztendlich überall passieren. Auch sein Bruder Ralf teilt diese Einstellung. „Totale Sicherheit gibt es nicht, es sei denn, man sperrt sich irgendwo im Keller ein“, sagte der Toyota-Pilot. „Aber so traurig das alles ist – letztlich betrifft es uns doch nicht direkt.“ Schon der Engländer Jenson Button hatte im Namen aller Fahrer die Richtung vorgegeben: „Wir sind natürlich alle schockiert und traurig über das, was da in London passiert ist. Aber wir werden versuchen, den Fans auf jeden Fall die bestmögliche Show zu bieten.“

Für das Rennen am Sonntag hat der Automobil-Weltverband immerhin eine Schweigeminute vor dem Start angekündigt, und einige Teams überlegen, mit Trauerflor zu fahren. Ernsthafte Gedanken an eine Absage aber gab es nie – das hätte sich die Formel 1 nach dem Debakel von Indianapolis wohl auch nicht mehr leisten können. „Wir sind ja auch nach dem 11. September 2001 gefahren“, sagt BMW-Williams-Pilot Nick Heidfeld. „Denn das ist es ja gerade, was die Terroristen wollen: Alles aus dem Ruder laufen zu lassen. Man muss versuchen, das Leben normal weiterlaufen zu lassen. Und das sollte man auch hier tun.“

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